7 2 V O L U M E 8 , D O C U M E N T 2 9 9 a
werden leider nur zu recht haben. Schicken Sie also meinen armen Jungen, wohin
Sie und Bernstein es für gut
finden,[1]
wenn Sie wirklich etwas davon halten. Und
sogar, wenn Sie sich im Stillen sagen, dass doch aller Liebesmüh vergeblich ist,
schicken Sie ihn, damit meine Frau und mein Albert meinen, es werde dem Übel
abgeholfen. Ich werde versuchen, 500 M nach Zürich zu senden. Ich wäre sehr un-
glücklich, wenn ich glauben würde, dass ich mit einer anderen wertvolle Nachkom-
men hätte zeugen können. Aber wenn ich in meiner eigenen Familie Umschau halte
und die banalen, wenn auch leidlich gesunden Leute sehe, dann kommt mir vor,
dass mein Einsatz bei dem jämmerlichen Geschäfte auch nicht allzu hoch bewertet
werden darf. Ich tröste mich damit, dass es auch ein Weiterleben durch die Früchte
der Arbeit gibt. Das glückliche Bewusstsein, in dieser Weise wirklich befruchtend
und befreiend gewirkt zu haben und fort zu wirken, ist mir ein Trost, der durch
nichts zerstört werden kann. Noch so traurige Erlebnisse an meinen Kindern werde
ich in diesem Gedanken zu tragen wissen; wenn nur nicht der unselige Drang, Kin-
der zu zeugen, den Jammer ins Ungemessene zu dehnen strebte! Dieser Drang im
Verein mit der ärztlichen Kunst, das eigentlich nicht Lebensfähige über die Jahre
der Zeugung hinaus an Leben zu erhalten, verelendet die Kulturmenschheit. Da
thäte es not, dass uns die Mediziner eine Art Inquisition bescherten mit dem Recht
und der Pflicht, unnachsichtlich zu kastrieren zur Reinigung der Zukunft.—
Ich bat Herrn Boas, Ihnen über meinen Zustand zu
berichten.[2]
Dass die Leber
krank ist, hat er wohl sicher konstatiert. Aber über den Charakter des Leidens mag
er selbst vorläufig nicht ganz klar sein. Ich glaube jedenfalls nicht, dass es sich um
eine Kleinigkeit handelt, die vorübergehend ist. Seit etwa 18 Jahren leide ich an
diesen Schmerzen, habe auch immer ziemlich schlecht ausgesehen. Aber seit zwei
Monaten hat es einen Knax gegeben, der sich in starkem Altern, häufigem Frieren
und sonstigem allgemeinem Unbehagen kundgibt. Seit ich die strenge Kur gebrau-
che, sind die Schmerzen weg, aber das Leiden ist natürlich nach wie vor da. Da je-
doch Sterben das Schlimmste ist, was in solchem Falle eintreten kann, und ich mir
daraus nicht viel mache, lasse ich mich durch die Angelegenheit gar nicht aus mei-
nem Gleichgewicht bringen. Dazu kommt, dass ich durch meine Cousine sehr sorg-
sam gepflegt
werde,[3]
besser als es in einem Sanatorium möglich wäre.
Ihre Andeutungen über Bessos Pläne haben meine Neugier zum Sieden gestei-
gert,[4]
ohne dass ich mir eine Idee machen konnte, von was es sich handelt. Ich
nehme also an, dass er im wilden Westen unter der sachkundigen Führung eines In-
dianerhäuptlings das Geheimnis des naturgemässen Lebens ergründen wird, bezw.
dass er dies so genau durchdenken wird, dass er gar nicht mehr hinzufahren
braucht, sondern das Ergebnis auf rein theoretischem Wege mit der gewohnten Si-
cherheit von 2% ermitteln wird.