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Sie hat begonnen sich der Sache anzunehmen, weil man sie darum gebeten hat,
weil Papa abreiste, also sozusagen als Erbschaft, und endlich, weil sie nicht mitlei-
dig die Hände in den Schoss legt, wo sie meint helfen zu können, oder wo ihr ein
gutes Recht verletzt
scheint.[2]
Und einmal angefangen, führte sie es durch, nach
besten Kräften.
Erinnern Sie sich nur an die Inselgespräche, und, trotzdem der Inhalt ein ganz
verschiedener war, trat ihr Wesen so gut zu Tage, wie jetzt in ihrem Handeln; mit
dem Unterschied, dass jetzt Dinge berührt wurden, die innerhalb ihrer Erfahrung
liegen, wodurch ein gewisser Instinkt sich ausgebildet hat, der zum (relativ und
vorläufig) Richtigen führt, während dort ihre schwache Logik nicht ausreichte.
Deswegen scheint mir, dass man mehr auf ihr Tun als auf ihre Worte achten soll-
te, besonders wenn sie in der Hitze jemandem gesagt wurden, mit dem sie früher
lange Zeit schlecht
stand.[3]
Dass sie aufgeregt war, ist leicht zu begreifen, auch
deswegen, weil sie vorher wegen einer ein wenig unfreundlichen Bemerkung über
Maja mit Paul in Streit geraten
war.[4]
Übrigens hätten ihre Worte Sie selbst in kei-
ner Weise beleidigt, wenn Sie sie gehört hätten, Sie hätten nur gelacht und ihren
Sinn ein wenig milder gestimmt. In einer Stunde vernünftigen Gesprächs wären Sie
sicher miteinander einig gewesen in der ganzen Angelegenheit, während geschrie-
benes sich immer missverstehen lässt.
Ihre Schwester ist massvoll und gescheidt. jedes ihrer Worte hat auch seinen be-
stimmten Sinn, und so ist es leicht, dass sie ohne viel Lärm eine Meinung über je-
manden einzugeben weiss, ohne sie geradewegs herauszusagen; daher ist diese
auch viel eindringlicher und glaubhafter. Dass Ihre Schwester meiner Mutter nicht
geneigt ist (wie auch umgekehrt), wissen Sie
gut;[5]
sie mag sagen, was [sie] will,
gerade deswegen wird ihre Ansicht einseitig sein, wenn es auch nicht so scheint.
Nun bitte ich Sie, die Freiheit zu entschuldigen, die ich mir genommen habe aus
drei Gründen
1. weil meine Mutter mit Unrecht gekränkt wurde (nicht etwa dass sie ein Kla-
gegeschrei angestimmt hätte, wie man es oft hört)
2. weil ich Sie selbst lieb habe,
3. weil Papa im wesentlichen sicher mit meiner Mutter einverstanden ist (und
nicht das Gegenteil, was der „humorvolle
Bericht“[6]
andeutet), und beide nichts
weniger als unerschütterlich sind.
Recht herzliche Grüsse von Ihrem
Vero
Lesen Sie einmal Dostojewski, wenn Sie Zeit haben.
ALS. [144 799]. There are perforations for a loose-leaf binder at the left margin of the document.
[1]Einstein had written a postcard to Anna Besso-Winteler on 17 March, asking her, in the future,
not to write him (see Vol. 8, Doc. 561b, in the present volume, for Paul Winteler’s comments).
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