D O C U M E N T 2 4 M A Y 1 9 2 0 2 6 9
24. From Erich Regener[1]
Stuttgart, Wiederholdstr. 13, den 21. 5. 20.
Lieber Herr Einstein!
Darf ich Ihre Hülfe für zwei kleine Sachen erbitten, die, wie ich hoffe, Ihre kost-
bare Zeit nicht zu sehr in Anspruch nehmen werden.
Der erste Punkt betrifft Herrn Dr. Reichenbach, dem ich möglichst schnell zu
Habilitation verhelfen
möchte.[2]
Er hat dazu eine Arbeit: „Die Bedeutung der Re-
lativitätstheorie für den physikalischen Erkenntnisbegriff“ eingereicht. Er sagte
mir, dass Sie die Arbeit schon gelesen hätten, sodass ich sie Ihnen nicht zu schicken
brauchte.[3]
Ich muss nun sagen, dass meine eigene Erfahrung nicht hinreicht, um
die Arbeit genügend zu würdigen und ich glaube ferner, dass Ihr Urteil über die Ar-
beit bei der Hochschule hier sehr viel wiegen wird, sodass ich für den glatten Ver-
lauf der Habilitation Günstiges erhoffe. Es wäre das deswegen besonders wertvoll,
weil die Arbeit doch zum grossen Teil philosophischen Charakters ist, Herr Rei-
chenbach sich aber für Physik habilitieren soll. Nun glaube ich, dass auch Sie mit
mir übereinstimmen werden darin, dass gerade solche Arbeiten auch für den Phy-
siker bei der augenblicklichen Entwicklung in der Physik sehr nützlich sind, sodass
seine Arbeit auch dem Herrn Reichenbach zur Habilitation inder Physik dienen
kann.
Ich wäre Ihnen deshalb für einige diesbezügl. Zeilen ausserordentlich dankbar.
Der zweite Punkt betrifft die Besetzung des Extraordinariates für theoretische
Physik an der hiesigen Hochschule. Die Stelle ist im Landtag beantragt und wird
voraussichtlich zum Herbst zu besetzen sein. Ich hatte bereits in Berlin mit Ihnen
darüber gesprochen und Sie hatten mir Herrn Reiche
genannt.[4]
Ich denke an ihn
auch jetzt noch in erster Linie muss aber drei Namen auf der Vorschlagsliste haben.
Die Ansprüche, die hier an den Theoretiker gestellt werden, sind ungefähr folgen-
de: In erster Linie muss er mathematisch rechnerisch gut vorgebildet sein. Denn die
Angelegenheiten, in denen er von den anderen Abteilungen um Rat gefragt werden
wird, werden weniger die begriffliche Seite der Physik betreffen, sondern meist
Gegenstand irgend einer knifflichen Rechnung sein. Ich persönlich möchte aber
natürlich nicht eine Theoretiker der alten Richtung zur Seite haben, sondern einen,
der in den modernen Sachen zu Hause ist. Denn ich möchte sehr, dass er mit den
experimentellen Arbeiten des Institutes in Konnex kommt, sodass er eine Ergän-
zung zu meiner Person, der das mathematischRechnerische niemals Selbstzweck
war, bildet. Gut vortragen soll er natürlich auch.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, lieber Herr Einstein, wenn Sie mir in ein paar kur-
zen Zeilen in den genannten beiden Angelegenheiten freundliche Auskunft geben
würden. Ich hoffe, dass Sie an Ihrem holländischem Aufenthalt Freude haben und
dass auch die Nachricht, die ich kurz nach meiner Abreise aus Berlin hörte, dass
Sie nämlich mit Ihrer Gesundheit nicht zum besten wären, sich nicht
bestätigt.[5]
Previous Page Next Page