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Mittelstandes, doch lebt in mir neben dem Muß des Erwerbens die Sehnsucht nach
Wissen, nach Licht. Selbstverständlich kann ich Ihre Lehren nicht durchdringen
und zum vollkommenen Verstehen fehlt mir die Belehrung, aber soviel fühle und
erfasse ich doch, daß Sie etwas Grosses gesucht und aufgebaut haben, was nicht
vergeht, und uns, das Volk, mit Stolz und Dank erfüllen sollte. Das tut es auch, denn
die, die jetzt mit mehr oder weniger gut klingende[m Ton vom] öffentlichen Kathe-
der Ihr Schaffen herunterzureißen versuchen, sind nur ein winzig klein[e]r Teil des
Volkes, und in seelischer Beziehung nicht die vornehmsten Vertreter, trotz weit
überragender wissenschaftlicher Bildung. Sie flechten sich keinen Lorbeer und
verdunkeln nichts von dem Bilde, das sich in uns von Ihnen geformt hat.
Sie wollen Deutschland nun
verlassen,[2]
das doch gerade jetzt in seiner trostlo-
sen Lage einen Punkt braucht, von dem es sich Kraft und neues Hoffen holen kann
und sein Selbstbewusstsein stärken. Ein großer Mensch veredelt seine ganze Um-
gebung, und von dem Glanz und Ruhm, der um Ihren Namen in allen Ländern
leuchtet, zehren tausende Ihrer kleinen Mitmenschen. Bleiben Sie bitte in Deutsch-
land[;] hören Sie nicht nur das Sie beleidigende Kläffen einiger Dutzend, sondern
fühlen Sie auch den Dank und die Verehrung aller derjenigen, denen er zwar nicht
vergönnt ist, von Ihnen belehrt zu werden, und das Grosse als Wissenschaft ganz
in sich aufzunehmen, wohl aber empfinden, daß die Scham über sie kommt, wenn
ein edler, schaffender Mensch durch Neid und üble Anwürfe gezwungen wird,
fremde Länder zum Vaterland zu wählen. Es steht eine mächtige Mauer von Freun-
den und Schülern und Verehrern um Sie, da sollte dieser Kampf Ihnen neue Anre-
gung zu neuem Schöpfungen geben, die mit ihren Beweisen die lauten Schreier zu
geschlagenen, beschämten Schweigern machen. Erhalten Sie uns Ihr Schaffen und
Ihre Friedengedanken, So wie die wogenden Felder segensvoller sind als das Ras-
seln der Degen und Blinken der Halmspitzen, so wird auch Ihre geistige Saat und
Ernte dauernder und segenbringender für das deutsche Volk bleiben, als der gegen-
wärtige Erguss wohl mit Schulwissenschaft vollgepfropfter Köpfe, denen aber jede
Regung der „christlichen Nächstenliebe“ verkrüppelt ist. Mit frohem Stolz können
wir dann sagen: Einstein ist ein Deutscher. Werkzeuge und Gebilde der Hände
konnte man uns nehmen, aber unsre Geister nicht.
Sowie ich Ihnen schreibe, denken tausende mit mir und bitten: Bleiben Sie bei
uns, beschämen Sie nicht ein ganzes Volk um ein paar Sünder willen!
Toni Schrodt
ALS. [36 038].
[1]See Doc. 111 for the anti-relativity event in the Berlin Philharmonic Hall.
[2]See Doc. 111, note 4, and Doc. 119, note 2.
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