D O C U M E N T 1 2 2 A U G U S T 1 9 2 0 3 9 9
122. From Elsa Countess von Schweinitz und Krain
Bad Kissingen Villa Ölmühle. 30. August 20.
An den Begründer der Relativitätstheorie!
Sehr verehrter Herr Professor,
Soeben lese ich im B.
T.[1]
von den unerhörten Angriffen gegen Ihre Person.
Das ist Deutschlands Dank, gegen den Menschen, der uns heut, da alles in gröb-
stem Materialismus untergeht—leuchtende Ewigkeitswerte schenkte!
Wie erbärmlich klein, muss Ihnen, der den Massstab der Unendlichkeit in sich
trägt; der Plebejerhass des Gegners sein!
Ich kenne die Welt u. weiss: Sie verzeiht alles—nur die Grösse nicht—unfähig
selber gross zu sein,—will sie das Grosse niederzwingen zu sich selbst. In diesem
Kampfe liegt die Tragik des Genies.
Doch glauben Sie mir: das Gekläff dieser Meute wird in wenig Tagen verklun-
gen sein . . . Ihre Wahrheit aber wird bleiben: Ein Felsen in der Ewigkeit!
Doch—soviel man Ihnen auch zu nehmen sucht: das Beste in Ihnen bleibt allen
unerreichbar fern:
Das ist die Erinnerung an die Stunden, da die Erkenntnis Ihrer Wahrheit aus Ihrem
Geiste geboren ward! Da diese Wahrheit Ihnen noch allein gehört—
Und dieses Glück ist den Einsatz eines Menschenlebens wert!
Sie sind ein Mann! Eine Kampfnatur! Nichts wird Ihre Geistesschwingen bre-
chen—
Und dennoch—
aller Erkenntnis zum Trotz auch den Stärksten wirft es einmal nieder—
Denn auch die Kraft des Besten unter uns; kennt Grenzen:
In solchen Augenblicken senden Sie Ihre Gedanken denen zu, denen Sie soviel
Grosses bedeuten—
Und das sind Tausende!
Es kann mein Geist dem Ihren nicht immer folgen, (denn ich bin ein junges Weib
und kein Gelehrtenhirn); und dennoch fühle ich’s in jedem Nerv: Ihre Schriften
lehrten mich; nach schwerem Schicksalsschlag; die Erde wieder lieben—denn—
sie führten mich, aus Menschenhass und Weltverachtung wieder zurück—
zur stillen Majestät der ewigen Natur!