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TLS (Harvey Plotnick, Chicago). [83 685]. Addressee’s name is typed at the foot of the letter: “Herrn
Dr. Mühsam Berlin.” The attached manuscript of Einstein 1920k (Vol. 7, Doc. 49) is omitted.
[1]Einstein 1920k (Vol. 7, Doc. 49). The philanthropic cause may have been related to Mühsam’s
position at the Jewish Hospital in Berlin (see Vol. 9, Doc. 74e, in the present volume).
217. From Arnold Berliner
Berlin W 9, Linkstr. 23/24, den 1. Dezember 1920.
Lieber Herr Einstein!
Ihre Zuschrift, mit der Sie dem von Reichenbach so rauh angefassten Herrn Har-
ry Schmidt zu Hilfe zu kommen
wünschen,[1]
würde mich, wenn ich sie veröffent-
lichen wollte—ich werde es, wie ich von vorn herein bemerken möchte, nicht tun,
weil ich es für ungerechtfertigt halte—auf einen Weg drängen, der zu unabsehbaren
Konsequenzen und sogar zu grotesken Konsequenzen führen würde. Ich habe kürz-
lich die Besprechung eines zoologischen Wörterbuches veröffentlichen müssen,
die ich auch, wie Sie es mit der Reichenbachschen Besprechung getan haben, als
gallig bezeichnen möchte, aber da mir der Referent als ein sachkundiger und zu-
verlässiger Mann bekannt war, so habe ich selbstverständlich nicht den geringsten
Anstoss daran genommen, und ebenso mit vielen vielen anderen Besprechungen,
die ich im Laufe der acht Jahre des Bestehens unsrer Zeitschrift habe veröffentli-
chen müssen. Ich müsste für jede dieser Besprechungen einen Vertheidiger zu Wor-
te kommen lassen, wenn ich es auch nur in einem Falle thäte. Kritik ist nicht bloss
Sache des Urteils, sondern auch Sache des Geschmacks. Sie werden bei sorgfälti-
ger Prüfung der Bücherbesprechungen in den „Naturwissenschaften“ finden, dass
niemals ein nichtzuständiger Referent zu Worte kommt. Und das ist das Entschei-
dende. Kritik ist aber ausserdem auch Geschmackssache. Nun—über Geschmack
lässt sich bekanntlich nicht streiten. Möglich, dass sich Reichenbach im Tone etwas
vergriffen hat, aber diese Besprechung ist nach kurzer Zeit vergessen, und ich glau-
be nicht, dass sie Herrn Schmidt irgend einen nennenswerten Schaden zufügen
wird, und der Status quo ante wird dadurch meiner Ansicht nach, wenn überhaupt,
dann nur unmerklich verändert. Ganz anders aber, wenn Herr Einstein jetzt für den
gekränkten Harry Schmidt in den „Naturwissenschaften“ als „Rächer seiner Ehre“
auftritt. Jeder würde das Einsteinsche Auftreten für ein Buch über die Relativitäts-
theorie als eine Reklame von ungeheurem Gewichte ansehen, und diese Zuschrift
würde zeitlich und räumlich in ungeahnte Fernen wirken, und das zum Ruhme ei-
ner der vielen popularisierenden Darstellungen der Relativitätstheorie, die sich
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