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218. From Paul Winteler
Luzern den 1 Dezember 1920
Lieber Albert!
Der versprochene Brief liess ein wenig auf sich warten, aber nun kann ich Dir
dafür auch eingehender mitteilen, was mitzuteilen ist.
Das Geld von Zürich wird in den nächsten Tagen an mich angewiesen werden.
Daher frage ich Dich an, was ich damit tun soll, ich erwarte hierüber noch Deine
Instruktionen.[1]
Was uns betrifft, haben wir die Absicht nächstes Frühjahr von Luzern wegzu-
gehn, es handelt sich um nichts mehr u. nichts weniger als um meine Pensionierung
(mit ca 42% des Gehalts), u. zwar bin ich’s wegen eingetretener misslicher Perso-
nalverhältnisse sehr zufrieden, da ich durch diese in meinen Jahren ungewöhnliche
Tatsache ein freier Mensch werde, der seine Zelte überall aufschlagen kann wo
man billig lebt oder noch etwas zuverdienen
kann.[2]
Wir machen natürlich allerlei
Pläne u. gedenken nicht auf der faulen Haut herumzuliegen, im Gegenteil, jetzt
wird die Schaffenslust eher rege als unter so ehrgeizigen Opportunisten, denen ich
schliesslich noch den Schuhputzer hätte machen sollen. Maja partizipiert insofern
an der Pension als im Falle meines Hinscheides ihr die Hälfte lebenslänglich
bleibt.[3]
Dieser Pension wegen allein bin ich solange in dieser Stellung ge-
blieben![4]
Dass sich meine Gedanken nun den verschiedenen Möglichkeiten zuwenden
siehst Du auch daran, dass ich namentlich auch an Dich denke. Mir geht nämlich
schon lange im Kopf herum, dass Du an Deiner wissenschaftlichen Arbeit nicht die
materiellen Früchte gezogen hast, die Dir ganz natürlicherweise zufallen sollten.
Es muss doch etwas ungemütliches für Dich haben, wegen Vorschüssen in Zürich
durch mich Bitten aussprechen zu lassen, ferner, Sorgen zu haben, dass es Dir nicht
immer möglich ist, Deinen Verpflichtungen gegenüber Deiner ersten Frau rechtzei-
tig zu
genügen[5]
u. zw. während doch alles viel vorteilhafter u. beruhigender für
Dich hätte geordnet werden können. Schliesslich hast Du an 2 Familien zu denken
u. das ist keine so leichte
Sache.[6]
Ob dachte ich mir, dass Du Dich nie erinnert
hast, einen Juristen in der Familie zu haben der beitragen kann, Dein Finanzdepar-
tement einer gewissen Ordnung teilhaftig werden zu lassen. Nimm es mir nicht
übel wenn ich Dir hierüber Vorschläge mache. Dein Verleger der „Gemeinver-
ständlichen“[7]
hat Dich krass über die Ohren gehauen. Du hast einem reichen u.
geriebenen (alle Verleger sind geriebene heute! u. wie!) Verleger ein Vermögen zu-
geschanzt, bezw. in seinen grossen Kassenschrank gelegt für einen
Butzenstiel![8]
100 Freiexemplare pro Auflage die Du nicht einmal kontrollieren kannst, samt
Übersetzungsrecht (!), wie ich höre. Glaubst Du wirklich dieses Büchlein werde
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