BEITRAG FÜR SEIN LEBENSBILD lvii 21/2jährigen die Ankunft eines Schwesterleins angekündigt wurde, mit dem er spielen könne, dachte er an eine Art Spielzeug, denn beim Anblick dieses neuen Wesens fragte er ganz enttäuscht: Ja, aber wo hat es denn seine Rädchen? Im Parkgarten der Eltern in München kamen häufig die Sprösslinge der Verwandtschaft zusammen.[36] Albert hielt sich jedoch von deren wilden Spielen zurück & beschäftigte sich mit stilleren Dingen. Nahm er ausnahms- weise teil, galt er als der selbstverständliche Arbiter in allen Streitfällen. Da Kinder in bezug auf Ausübung der Gerechtigkeit noch meist ein sehr feines & unverdorbenes Gefühl haben, lässt die allseitige Anerkennung seiner Autorität auf die früh entwickelte Anlage, objektiv zu denken, schliessen. Auch die frühzeitige Gründlichkeit im Denken fand einen bezeichnenden, wenn auch seltsamen Ausdruck. Jeden ausgesprochenen Satz, sei er auch noch so alltäglich, sprach er leise, mit Lippenbewegung, noch einmal vor sich hin. Diese merkwürdige Gewohnheit legte er erst im 7. Lebensjahre ab.[37] Der erste Unterricht wurde ihm mit 5 Jahren im Hause durch eine Lehrerin erteilt.[38] Gleichzeitig begann auch der Musikunterricht in Violine. Der sonst so ruhige kleine Junge hatte indes von Grossvater Koch eine Neigung zu Jähzornsausbrüchen abbekommen. In solchen Momenten wurde er im Gesicht ganz gelb, die Nasenspitze aber schneeweiss, u. er war nicht mehr Herr seiner selbst. Bei irgend einer solchen Gelegenheit ergriff er einmal einen Stuhl u. schlug damit nach der Lehrerin, die darob solchen Schreck empfand, dass sie entsetzt fortlief u. sich nie mehr blicken liess. Seinem Schwesterchen warf er ein andermal eine grosse Kegelkugel an den Kopf u. ein drittes Mal diente eine Kinderhacke ihm dazu, ihm ein Loch in den Kopf zu schlagen. Woraus ohne weiteres ersichtlich ist, dass auch ein gesunder Schädel dazu erforderlich ist, die Schwester eines Denkers zu sein. Der Jähzorn verschwand schon während der ersten Schuljahre. Wie bekannt, gebraucht man im Deutschen die Höflichkeitsformel "Sie" für Erwachsene u. nicht zur Familie gehörige, während die Form "Du" nur [36] Robert (1884-1945) and Edith (1888- 1960), the children of Jakob and Ida Einstein, lived with their parents in the villa. Rudolf and Fanny Einstein's daughter Elsa (1876-1936), Einstein's second wife, reportedly visited, as did Robert (1879-?) and Alice (1891-1953), the children of Jacob Koch (1850-1925), Pau- line Einstein's brother (Kayser 1930, pp. 27, 28). [37] Einstein confirmed "dass ich meine eigenen Worte leise zu wiederholen pflegte" when he was a young child (Einstein to Sybille Blinoff, 21 May 1954). For a different account, see Straus 1982, p. 419. [38] Munich schools strictly enforced the rule that a child had to be at least six years old by the end of the calendar year of admis- sion to primary school (Gebele 1896, p. 200). Einstein's parents probably hired a private tutor to enable him to start in second grade when he entered primary school in the fall of 1885. For a similar case a decade later, see Fraenkel 1967, pp. 57-58.
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