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Vol. 8, 237a. To Heinrich Zangger
[Berlin,] 19. VII. 16.
Lieber Freund Zangger!
In dieser aufregenden Angelegenheit empfinde ich es als grosses Glück, so ächte
und gute Freunde zu haben, wie Sie und Besso, die so still und selbstverständlich
unter den schwersten Umständen alles richten und
schlichten.[1]
Ich bitte auch Sie,
es mir nachzusehen, dass die erste Mitteilung nicht den ernsten Eindruck auf mich
machte, der den Umständen gemäss gewesen wäre. Die Symptome scheinen jeden-
falls sehr schwere gewesen zu sein und zum Teil noch zu sein. Ist es denn nicht
möglich, dass alles nervös bedingt
ist?[2]
Es ist gut, dass die Buben nun bei Frau
Savic aufgehoben sind, einer sehr guten und intelligenten Frau (Wienerin), die ei-
nen serbischen Beamten geheiratet
hat.[3]
Sie ist eine ehemalige Studien-Kollegin
von mir und meiner Frau, letzterer beste Freundin, eine Person von viel Güte und
Intelligenz. Wenn Sie Gelegenheit haben, so versäumen Sie nicht, sich eingehend
mit ihr zu unterhalten, zumal ihre Eindrücke und Erlebnisse interessant sein müs-
sen.
Ich überlegte mir, ob ich nicht die Buben in dieser Zeit selbst übernehmen solle,
komme aber zu dem Schlusse, dass dies nicht richtig wäre. Es bringt der Frau neue
Aufregungen. Ferner kommen die Kinder zu einem inneren Kampf (Mutter oder
Vater?), denn ich auch bei vorsichtigstem Verhalten heraufbeschwören würde. Die
Erfahrungen vom letzten Früjahr haben mich in dieser Beziehung resigniert ge-
macht. Zuerst Vertrauen und Herzlichkeit, dann eisige
Kälte.[4]
Die Frau litt eben
unter dem Eindruck, der grosse Junge könnte sich mir zuviel zuwenden und wirkte
vielleicht wahrscheinlich unbewusst so kräftig dagegen, dass eine für den Jungen
sehr bedauerliche brüske Wendung eintrat. Bevor die Jungen erwachsen sind,wur-
de ich keine erhebliche persönliche Rolle in ihrem Leben spielen dürfen, sondern
nur darüber zu wachen haben, dass in der Erziehung keine allzu schweren Fehler
gemacht werden. Ich fürchte und glaube dass die schwersten Mängel auf körperli-
chem Gebiet liegen (Reinlichkeit, Zähne). Ich bemühe mich vergeblich, zu bewir-
ken, dass hier das nötige gethan wird.
Herr und Frau Dr. Zürcher scheinen ebenfalls in selbstlosester und auf opfernder
Weise um meine Frau und die Kinder besorgt zu sein. Ich werde ihnen
schreiben.[5]
Wissenschaftlich verschnaufe ich mich ein wenig. Ich untersuchte die Gravita-
tions-Wellenstrahlung,[6]
neuerdings die Quantentheorie der Lichtemission und
Absorption[7]
und die Ursachen der Hebewirkung beim
Fliegen.[8]
Über den letz-
teren Gegenstand schrieb ich auch einen kleinen populären Aufsatz, die ursprüng-
lich für die Kleiner-Festschrift bestimmt
war;[9]
den Aufsatz sende ich Ihnen, wenn
er gedruckt ist, damit Sie ihm in einer stillen Stunde
lesen.[10]
Mit Kleiner ist einer
von den Menschen hingegangen, mit denen mein Leben eng verkettet war, wenig-
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