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schwerlich in einem europäischen Lande eine solche politische Reife der Maßen
finden. Diese Sicherheit des Urteils hat mich wirklich in Erstaunen versetzt. Die
Wirkung des Streiks war in politischer Beziehung eine sehr heilsame: der Bundes-
rat u. die Bundesversammlung, namentlich der allmächtige Freisinn haben einen
heilsamen Schreck gekriegt u. das Tempo der Proportionalwahleinführung u. ande-
rer berechtigter Reformen wurde bedeutend
beschleunigt,[5]
andererseits wurde
das Streikkomitee desavouiert u. mußte gehen, so daß seine Macht gebrochen ist.
Leider hat die Grippe infolge des Maßenaufgebots wieder sehr viele Opfer gefor-
dert. Es ist unheimlich wie diese Krankheit in unserm Ländchen
haust.[6]
Wie
steht’s bei Euch?
Erst heute konnte ich das Novemberpaket in Bern
bestellen.[7]
Verzeih, wenn es
etwas verspätet kommt. Der Fonds, den Du uns für die Pakete überwiesest, ist nun
aufgebraucht. Verzeih, wenn ich Dich daran mahne, aber wir sind—wie gewohnt—
auf dem Hund u. wären Dir sehr dankbar, wenn Du uns—falls Du dadurch nicht zu
ungünstig dran bis—wieder eine kleine Summe schicken könntest.
Mama kommt dieser Tage mit Onkel Jakob wieder nach
Luzern.[8]
Ich muß ihr
ein Zimmer in der Nähe suchen, denn unser Fremdenzimmer ist im Winter zu kalt
u. feucht für sie. Sie leidet sehr an Rheumatismen.
Herzliche Grüße an Elsa, Kinder, Onkel,
Tante.[9]
Bitte, schreibe bald wieder
wenigstens ein Kärtchen. Innigen Kuß von Deiner
Schwöschter.
Paul zeigt mir eben, daß der deutsche Kurs sehr schlecht
steht.[10]
Schicke also
nichts. Man wird so wie so über kurz od. lang keine Päckli mehr schicken können.
ALS. [144 789].
[1]Presumably as a substitute for a primary-school teacher in Filzbach, canton of Glarus, as in June
1918 (see Vol. 8, Doc. 561a, in the present volume).
[2]In Einstein to Paul and Maja Winteler-Einstein, 11 November 1918 (Vol. 8, Doc. 652).
[3]For Einstein’s optimistic assessment of the German political situation in the first days of the rev-
olution, see Einstein to Pauline Einstein, 11 November 1918 (Vol. 8, Doc. 651), and Einstein to Paul
and Maja Winteler-Einstein, 11 November 1918 (Vol. 8, Doc. 652).
[4]For Paul Winteler’s account of the Swiss general strike, a week earlier, see Vol. 8, Doc. 659a, in
the present volume.
[5]The Swiss Liberal Democratic Party (Freisinnig-Demokratische Partei) enjoyed an absolute
majority in the Swiss legislature from 1848 until 1919, when proportional electoral reform was intro-
duced.
[6]For Heinrich Zangger’s description of the devastation wreaked by the influenza epidemic, see
Heinrich Zangger to Einstein, ca. 10 November 1918 (Vol. 8, Doc. 648).
[7]Monthly packages with foodstuffs had been sent to Einstein since at least March 1917 by Zang-
ger and Maja Winteler-Einstein (see, e.g., Einstein to Heinrich Zangger, after 10 March 1917 [Vol. 8,
Doc. 310], and Vol. 8, Doc. 561a, in the present volume).
[8]Starting in early October 1918, Pauline Einstein had spent some six weeks in Lugano with her
brother Jacob Koch (see Einstein to Pauline Einstein, 8 October and 11 November 1918 [Vol. 8,
Docs. 631 and 651], descriptive notes).
[9]Elsa Einstein, Ilse and Margot Einstein, Rudolf and Fanny Einstein.
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