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Herrjemine, in was für Reklametendenzen sind Sie da hineingesetzt?! Würden
Physiker von entsprechendem Kaliber so etwas wagen?! Zum größten Teil
schwachseeliges, träg wiederkauendes, keifendes Mittelmaß und teils wie Kraus:
frech; und in solcher Reklamesüchtigkeit—Ja, Herrgott, wenn man wenigstens
denken könnte, es hätte doch irgend einen Sinn: in der „Konferenz“ würde irgend-
was ernsthaft vorwärtsgebracht werden können, oder auch nur ernsthaft behan-
delt—aber, Sie, Guter, wissen Sie nicht, wie diese Leute sind und wohin sie
wollen—?! Und wenn auch bloß die unbeschreibliche Flauheit dieser Menschen
wär Mit Menschen, die ernsthaftes wollen, —zum Beispiel
Cassierer[9]
—wärs
schön möglich, aber auch mit solchen besser nicht mitten in solcher Corona–! Und
wie kann sich die „Konferenz“ gestalten? Die Leute werden ihr Zeugs in ihrem
characteristischen psychischen Habitus vortragen und Disputierkunststücke ma-
chen—und Sie werden ein paar gütige Worte sagen, und dann ein bisschen lächeln
und schweigen—und die Leute—brrrr. Das ist keine schöne Sache und ist kein
Guts von ihr abzusehn
So stehts mit diesen Philosophen—Nu kommt mal einer wie Sie—und was fan-
gen die Leute damit an—! Herrjemine!
(Wenn Sie wirklich dran denken hinzufahren, dann hätt ich Lust, auch hinzu-
fahren.)[10]
—So; das musst ich mir von der Seele schreiben; und ich kann mirs noch gar-
nicht richtig denken, dass Sie wirklich hinfahren (ein sonniger Tag im Wald oder
eine Arbeiter
Vorlesung[11]
statt dessen wär was viel schönres und bessres)—und
jetzt sag ich Ihnen, Sie, Guter, Allzuguter, recht schöne Grüße noch und ärger mich,
dass ich Ihnen da grad solches Zeugs zu schreiben hatte!
Alle guten Wünsche! Ihr
Wertheimer.
ALS. [23 374]. Original cropped.
[1]Wertheimer (1880–1943), Privatdozent in psychology and philosophy at the University of Ber-
lin, was a close friend of Einstein and Max Born (see Einstein to Hedwig and Max Born, 2 August
1918 [Vol. 8, Doc. 593], Hedwig Born to Einstein, 18 October 1919 [Vol. 9, Doc. 144], and Born
1978, pp. 178–179, for an account of their friendship).
[2]Einstein began his trip to the Netherlands sometime after 4 May (when he was still in Berlin; see
Doc. 6), and before arriving in Utrecht on 6 May (see Doc. 7).
[3]A conference on the philosophical implications of relativity theory was planned for Halle on
29 May and intended to focus primarily on Hans Vaihinger’s “positivistic idealism,” a subcategory of
neo-Kantian philosophy denoted as “Philosophie des Als-Ob.” Vaihinger (1852–1933), Emeritus Pro-
fessor of Philosophy at the University of Halle, invited Einstein in early April (see Hans Vaihinger to
Einstein, 4 April 1920 [Vol. 9, Doc. 367]), and Einstein agreed to attend the meeting a week later (see
Einstein to Hans Vaihinger, 12 April 1920 [Vol. 9, Calendar]).
[4]Oskar Kraus (1872–1942) was Professor of Philosophy at the German University of Prague.
Kraus, a follower of Franz Brentano, held that relativity was absurd as a true theory of the world
because such concepts as time dilation, length contraction, or the conventionality of simultaneity were
objectionable from both a philosophical and a commonsense perspective. The symbols and concepts
of relativity were to be seen as fictitious calculational devices that were only of heuristic value (see
Kraus 1920a). Kraus also published a posthumous article by Brentano (Brentano 1920) to which he
appended an anti-relativity editorial (Kraus 1920b). For more on Kraus, see Hentschel 1990.
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