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konstatiert würde. So könnte prinzipiell die ganze Erfahrungswelt beschaffen sein,
ohne dass wir das Kausalitätsprinzip aufgeben müssten, wenn wir auch vielleicht
schwerer darauf verfallen wären, es mit ihm zu versuche[n.]
Ferner die Frage der Verletzung des Kausalitätpostulates durch das Trägheits-
Gesetz. Sie haben in Ihrem Büchlein mit Recht hervorgehoben, dass ich bei jener
Darlegung zu weit gegangen
bin.[5]
Aber Ihre jetzige Auffassung des Sachverhaltes
kann ich nicht billigen.
Richtig wäre es nach meiner Auffassung zu sagen: Die Newton’sche Physik
muss der Beschleunigung objektive Realität zuerkennen, unabhängig vom Koordi-
natensystem. Dies ist nur möglich wenn man den absoluten Raum (bezw. Aether)
als etwas Reales betrachtet. Das thut Newton auch folgerichtig.
Sie aber sagen einfach: Gestalt ist kein Vorgang. Es handelt sich nicht um „Ge-
stalt“ sondern um „Verharren in einer Gestal[t“.] Ich muss antworten: Verharren im
Gleichgewicht in einer bestimmten Gestalt ist wohl ein Vorgang im physikalischen
Sinne. Ruhe ist ein Bewegungsvorgang, bei welchem die Geschwindigkeiten dau-
ernd null sind, ein Bewegungsvorgang, der für unsere Überlegung jedem andern
prinzipiell gleichwertig ist. In der That finden ja auch Bewegungs-Vorgänge mit
Bezug auf beide rotierende Himmelsköper verschieden statt (z.B. Foucault’sche
Pendel, Umlauf eines Mondes etc.)
Es ist gleich, ob sie dasjenige, was Sie herbeiziehen müssen, um der Beschleu-
nigung Realität zu geben, absoluten Raum, Aether oder bevorzugtes Koordinaten-
system (obwohl man letzteres nicht wohl als etwas Reales der Kausalreihe wird
einverleiben wollen) nennen. Unbefriedigend bleibt der Umstand, dass dieses
Etwas nur einseitig in die Kausalreihe eingeht. Ob man das Kausalgesetz als be-
friedigt zu erklären hat oder nicht, hängt von Subtilitäten in der Definition des Kau-
salgesetzes ab. Der absolute Raum Newtons ist selbständig, durch nichts beein-
flussbar, das -Feld der allgemeinen Relativitätstheorie Naturgesetzen
unterworfen, von der Materie in seinen Eigenschaften bestimmt (nicht nur bestim-
mend). Das haben Sie übrigens auf Seite 27 meisterhaft
ausgesprochen.[6]
Zu Seite 28 oben. Es scheint mir die Behauptung nicht berechtigt, dass die Gra-
vitationsfelder nicht im gleichen Sinne als beobachtbar anzusehen seien wie die
Massen;[7]
der „Prozess-Charakter“ der letzteren erscheint in diesem Zusammen-
hang unwesentlich. Wesentlich ist, dass man überhaupt nicht von „allen Eigen-
schaften“ eines Körpers reden kann (weil es deren viele gibt); gehört er einem
theoretischen System an, so gibt es immer Eigenschaften, die Folge der übrigen
sind, gleichgültig ob dieses System mit „Prozessen“ operiert, oder sich mit stati-
schen Betrachtungen begnügt (der Unterschied scheint mir nicht prinzipiell).
Die Einengung der Kausalität auf Fortsetzbarkeit des in einem raumartigen
Schnitt gegebenen ist zwar nicht in meinem Sinne; aber der Standpunkt ist jeden-
falls
zulässig.[8]
Man braucht einen Fortschritt der Naturgesetze darüber hinaus—
g
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