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[8]At the GDNÄ meeting Hermann Weyl presented and discussed his unified field theory first pro-
posed in Weyl 1918a (see Weyl 1920 and 1922). Max von Laue talked on the theory of the gravitational
redshift and the geodesics of lightwaves in curved spaces (see Laue 1920c).
51. From Moritz Schlick
Rostock, Orléans-Str. 23, den 10. Juni 1920
Lieber, hochverehrter Herr Professor,
gestern kam Ihr freundlicher
Brief.[1]
Vielen herzlichen Dank, daß Sie so aus-
führlich auf mein Geschreibsel eingegangen
sind![2]
Ich wollte nur, ich hätte Ihnen
das Manuskript ein wenig früher gesandt; dann hätte ich noch einiges ändern kön-
nen. Aber jetzt ist es zu spät, da längst alles für die Naturwissenschaften gesetzt ist:
das betreffende Heft ist bereits morgen, den 11ten fällig. Seien Sie nicht böse, wenn
ich heute Ihre Zeit noch einmal mit dem alten Kausalprinzip in Anspruch nehme,
indem ich auf einige Punkte nochmals eingehe. Ich möchte so gern zur letztmögli-
chen Klarheit vordringen.
Was die Möglichkeit der Kausalität in einer Welt ohne Gleichförmigkeit betrifft,
so habe ich, wie ich fürchte, in der Erklärung meiner Ansicht eine Lücke gelassen,
und ich hoffe, daß nach ihrer Ausfüllung keine Meinungsverschiedenheit übrig
bleibt. Gewiß könnten wir z.B. zur Auffindung der Gravitation gelangen durch die
Beobachtung von Kometen, die alle in verschiedenen hyperbolischen Bahnen um
die Sonne
laufen.[3]
Ich möchte aber glauben, daß wir ohne eine gewisse Wieder-
holung des Gleichen in der Natur nicht einmal imstande wären, den Kometenlauf
auch nur richtig zu beschreiben und quantitativ festzulegen. Wir bedürfen zur Kon-
statierung der verschiedenen Kometenörter wohl gewisser Instrumente, die sich zu
verschiedenen Zeiten gleich einstellen lassen, wir müssen an ihnen Messungen
vornehmen können, und die praktische Anwendung jeder Skala und jedes Ziffer-
blatts scheint mir auf dem Prinzip der Wiederholung physisch gleicher Vorgänge
zu beruhen. Wenn wir sagen, daß den verschiedenen Kometenbewegungen das
gleiche Gravitationsgesetz zugrunde liegt, so scheint mir der Prüfbare
Sinn[4]
die-
ser Aussage nur darin bestehen zu können, daß uns der Vollzug ganz bestimmter
auf die Kometenbeobachtung bezüglicher Operationen irgendwie zu gleichen Er-
lebnissen führt. Derartige Überlegungen schienen mir ganz prinzipielle Gültigkeit
zu haben, und so glaubte ich, man dürfe von einer Gesetzmäßigkeit ohne eine Wie-
derkehr des Gleichen nicht reden. Irre ich hierin doch? Es wäre schön, darüber
noch eine Aufklärung zu erhalten—hoffentlich sogar mündlich in der nächsten
Zeit!
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