3 5 0 D O C U M E N T 8 6 J U L Y 1 9 2 0
86. To German News Agency for Foreign University
and Student Affairs
Berlin, den 27. VII. 20.
Sehr geehrter Herr!
Trotz Ueberhäufung mit Arbeit kann ich mir nicht versagen, Ihre Bestrebung
auf’s wärmste zu
begrüssen.[1]
Angelegentlich einer Reise nach Skandinavien habe
ich gesehen, wie wichtig die Beziehungen sind, welche sich das wissenschaftliche
Deutschland durch die Gastlichkeit seiner Universitätten vor dem Kriege erworben
hat.[2]
Auf sie ist es zurückzuführen, dass die Studenten des sonst feindlichen Nor-
wegens deutsch freundlich empfinden und sich nach wie vor hauptsächlich des
deutschen Buches bedienen. Es muss nach meiner Meinung eine Ihrer Hauptaufga-
ben sein, die studentische Jugend davon zu überzeugen, dass es für Deutschland
von unermesslichem Vorteil ist, wenn viele ausländische Studenten ihre akademi-
sche Bildung in Deutschland empfangen. Ich weiss zwar sehr gut, dass Raum- und
Geldmangel in deutschen Hochschulen vieles verbietet, da man natürlich zuerst für
die deutsche Jugend sorgen muss. Aber manche Ausschliessung von Ausländern
geschieht aus politischer Engherzigkeit, die sich leider infolge der unglücklichen
Verhältnisse in der hiesigen Jugend entwickelt hat. Insbesondere sollten die Aus-
länder in liberaler Weise zu den eigentlich wissenschaftlichen, d. h. nicht unmittel-
bar auf’s Praktische gerichteten Studien zugelassen werden, wo von einer Ueber-
füllung nicht geredet werden kann. Als Jude komme ich z. B. oft in den Fall, die
Klagen ostjüdischer Studenten zu hören, die gar oft aus blossem Antisemitismus
unter nichtigen Vorwänden abgewiesen
werden.[3]
Dadurch werden Leute verbit-
tert, die eine Brücke bilden könnten zu dem für die zukünftige wirtschaftliche Ent-
wicklung Deutschlands so wichtigen Osten. Aber weit entfernt, wirtschaftliche Ge-
sichtspunkte in den Mittelpunkt stellen zu wollen, sehe ich den Hauptwert Ihrer
Bestrebung in seiner moralischen und reinigenden Wirkung. Möge Ihrem Streben
reicher Erfolg beschieden sein.
Mit vorzüglicher Hochachtung
TLC. [43 543]. Addressee’s name is typed above salutation: “Deutsches Korrespondenzbüro für aus-
ländische Universitäts- und Studentenangelegenheiten. Leipzig.”
[1]For the agency’s statement of its goals, see German News Agency for Foreign University and
Student Affairs to Einstein, before 27 July 1920, in Calendar.
[2]Upon the invitation of the Norwegian Students’ Association, Einstein delivered three lectures at
the University of Kristiania in mid-June 1920 (see Doc. 59, note 3). The invitation to Norway had
been extended by visiting Norwegian students who were attending lectures at the University of Berlin
(see Doc. 6, note 4). On the isolation of the German academic community during and after World
War I, and the efforts by Einstein and others to address this problem, see Einstein 1920b (Vol. 7,
Doc. 36), notes 1 and 2, and Einstein to Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf, 19 April 1920 (Vol. 9,
Doc. 379), note 2.
Previous Page Next Page