D O C U M E N T 1 7 1 O C T O B E R 1 9 2 0 4 5 5
denn die Sache liegt mir wirklich sehr am Herzen. Gerne hätte ich Sie um Ihre Mei-
nung gefragt, aber schriftlich wäre es doch zu umständlich; vielleicht darf ich
mündlich darauf zurückkommen, denn ich hoffe zuversichtlich, daß es mir im Win-
ter vergönnt sein wird, Sie einmal wiederzusehen. Reichenbach scheint mir der
Konventionslehre von Poincaré gegenüber nicht gerecht zu sein; was er apriorische
Zuordnungsprinzipien nennt und mit Recht von den empirischen Verknüpfungs-
prinzipien unterscheidet, scheint mir vollkommen identisch mit Poincarés „Kon-
ventionen“ zu sein und keine darüber hinausgehende Bedeutung zu
haben.[2]
R’s
Anlehnung an Kant scheint mir genau betrachtet nur rein terminologisch zu sein.
Auch wegen einer Stelle in dem herrlichen Buche von Born über die Rel.-Theorie,
dessen Korrekturbogen ich sah, würde ich Sie später gern um Ihre Meinung fragen.
Es handelt sich um die Gegenüberstellung vom Materie und Feld (im letzten Ab-
schnitt des V. Kapitels). Ich habe mit Born darüber korrespondiert, und seine Ant-
wort hat mich zwar in bezug auf die Stelle selbst vollkommen
beruhigt,[3]
aber im
Anschluß daran sind mir doch Fragen aufgestiegen, die ich Ihnen wegen der philo-
sophischen Wichtigkeit doch einmal mündlich vorlegen möchte. Über
Nauheim[4]
habe ich manches Schöne gehört, und herzlich gern wäre ich dort gewesen, aber die
Reise schien mir doch gar zu weit von hier. Welche Reise schiene einem jetzt nicht
weit?
Mit innigem Danke möchte ich Ihnen wieder die Hand drücken. Denn von ver-
schiedenen Seiten spürte ich, daß Sie inzwischen wieder fürsorglich meiner ge-
dacht haben. Durch Ihre Empfehlung erhielt ich Aufforderungen, in Danzig und
Harburg Vorträge zu
halten,[5]
ferner für die Zeitschrift The Monist und für das
Berliner Tageblatt Artikel zu
schreiben.[6]
Aus den Danziger Vorträgen ist nichts
geworden, weil die Kasse der dortigen Naturforschenden Gesellschaft mir keine
ausreichende Reise-Entschädigung in Aussicht stellen konnte, aber in Harburg
werde ich sprechen. Der Artikel für das Tageblatt ist schlecht geworden wegen der
erforderlichen übergroßen Kürze, dagegen scheint mir der, den ich gleichfalls in-
folge Ihrer gütigen Empfehlung für den Mosseschen Almanach verfassen durfte,
besser gelungen. Erschienen sind beide noch nicht. Für den „Monist“ zu schreiben,
macht mir viel Freude, auch ist mir die Verbindung mit England höchst wertvoll.
Wahrhaft herzerfrischend war es zu lesen, was man in England über Sie und Ihre
Behandlung durch die Deutschen schrieb. Die Berliner verdienen, daß man ihnen
die Wahrheit sagt: ich zittere noch förmlich bei dem Gedanken an die Möglichkeit,
daß es den Leuten doch hätte gelingen können, Ihnen den Aufenthalt in Berlin zu
verekeln! Kürzlich besuchte uns hier Herr Bröse aus Oxford, der „Raum und Zeit“
übersetzt hat und das Freundlichsche
Buch.[7]
Ein sehr netter Mensch und von
höchster musikalischer Begabung. Erzählte ich Ihnen schon, daß ich mich an dem
Preisausschreiben des „Scientific American“ für eine populäre Darstellung Ihrer
Previous Page Next Page