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[8]With the outbreak of war, Max Abraham was considered an enemy alien and had to leave Italy.
Starting in fall of 1914, he spent almost two years in Zurich (see PGZ Mitteilungen 1916, p. 12).
Pierre Weiss (1865–1940) was Professor of Experimental Physics at the Swiss Federal Institute of
Technology.
Vol. 8, 41a. To Heinrich Zangger
[Berlin, after 27 December
1914][1]
Lieber Freund Zangger!
Vielen Dank für Ihre freundschaftlichen Zeilen. Fast wäre ich zu Ihnen gefahren,
um Schritte zu thun zur Pflege eines in Frankreich verwundeten und gefangenen
Sohnes
Plancks.[2]
Derselbe ist aber nun ausser Gefahr & geht der Genesung ent-
gegen.
Die Welt ist jetzt wie ein Irrenhaus. Was treibt nur die Menschen dazu, einander
so wütend zu töten und zu
verstümmeln?[3]
Ich glaube, dass es letzten Endes die
sexuelle Eigenart des Männchens ist, die von Zeit zu Zeit zu solchen wilden Explo-
sionen führt, wenn dies nicht durch sorgsame Organisation verhütet
wird.[4]
Die
besondere Kalamität unserer Zeit liegt aber darin, dass der Instinktkomplex des
Viehes in Verbindung mit den geschaffenen Hilfsmitteln zu einer wahren Vernich-
tung führt. Die wirkliche Verfeinerung der Massen geht so langsam vorwärts im
Verhältnis zur raschen Entwicklung der Technik, dass nun ein Missverhältnis
schlimmster Art da ist. Wir müssen deshalb nach meiner Meinung eine Organisa-
tion im Grossen anstreben, die gegen den einzelnen Staat sich verhält, wie letzterer
gegen den einzelnen Räuber. Aber dagegen sträubt sich wieder die bestia masculi-
na im Einzelnen. So kommt es, dass ein ganz Leidenschaftsloser wie ich den an-
dern defekt erscheint. Mir ist es einerlei. Solange ich in Ruhe gelassen bin, arbeite
ich mit Ruhe und gewohnter Freude weiter, ohne mich von der Massenpsychose
anstecken zu lassen. Was mich aber am ärgsten schmerzt, das ist, dass Menschen
meinesgleichen verhindert sind durch die Gewalt der Umstände, sich so zu verhal-
ten wie ich.
Ein besonderes Glück ist mir darin widerfahren, dass ich mich von meiner Frau
getrennt
habe.[5]
Ich weiss wohl, dass dies vom Standpunkt anderer wie eine Bru-
talität ohne Gleichen aussieht. Für mich aber war es eine Lebensfrage; meine Ner-
ven hätten den seit Jahren auf mir lastenden Druck der von dieser barbarischen Na-
tur auf mich ausgeübt wurde, nicht mehr längen Widerstand leisten können. Es ist
ein Akt der Verteidigung im besten Sinne. Sie können sich vorstellen, dass es eines
schweren Entschlusses bedurfte, um auf das Erleben meiner lieben heranwachsen-
den Buben zu verzichten! Für sie ist es aber gut, wenn sie nicht in einem Hause auf-
wachsen, in dem Vater und Mutter einander wie Feinde gegenüber stehen. Auch ist
es vorteilhaft für die Entwicklung ihrer sozialen Gefühlen und Gewohnheiten,
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