DOCUMENT 400 MAY 1912 471 Wien und Göttingen. Auf Grund einer hydrodynamischen Arbeit wurde er 1904 in Wien zum Doktor promoviert.[4] Dann begab er sich nach St. Peters- burg, wo er seinen Studien lebt und dabei, ohne an der dortigen Universität angestellt zu sein, privatim ein Seminar leitet. Ehrenfests Arbeiten beschäftigen sich hauptsächlich mit der kinetischen Theorie der Wärme und mit der statistischen Theorie der Strahlung. In meh- reren dieser Arbeiten hat der Verfasser durch seine hervorragende kritische Begabung wesentlich zur Klärung der behandelten Probleme beigetragen. Wir greifen hier aus den zahlreichen Publikationen als besonders wichtig fol- gende heraus: "Ueber die physikalischen Voraussetzungen der Planck'schen Theorie der irreversiblen Strahlungsvorgänge."[5] "Ueber zwei bekannte Einwände gegen das Boltzmann'sche H-Theorem." (1907).[6] "Gleichförmige Rotation starrer Körper und Relativitätstheorie." (1909).[7] "Welche Züge der Lichtquantenhypothese spielen in der Theorie der Wär- mestrahlung eine wesentliche Rolle?". (1911).[8] In der ersten dieser Arbeiten wird dargetan, dass in der Planck'schen Theo- rie der Strahlung nicht nur jene Annahmen eine Rolle spielen, welche an den Anfang der Untersuchung gestellt und der Elektrodynamik und Mechanik entnommen sind, sondern dass eine neue physikalische Annahme in Plancks Theorie steckt, die der physikalischen Interpretation bedarf. Die zweite der genannten Arbeiten widerlegt mit Scharfsinn den gegen die kinetische Theo- rie der Wärme oft erhobenen Einwand, dass es unmöglich sei, die nicht umkehrbaren thermischen Vorgänge auf (reibungslose) Bewegungen zurück- zuführen, weil letztere stets umkehrbar seien. In der dritten der genannten Pu- blikationen wird in anschaulicher Weise gezeigt, welche Schwierigkeiten die Einführung starrer Körper in der Relativitätstheorie mit sich bringt. Die vier- te Arbeit ist eine gründliche und scharfsinnige Studie über die Frage: Welche statistischen Eigenschaften müssen wir der Strahlung beilegen, um der Strah- lungsformel, soweit sie erfahrunsmässig sichergestellt ist, gerecht zu werden. Endlich ist ein Artikel der Encyklopädie der mathematischen Wissenschaf- ten zu erwähnen, in dem Ehrenfest in vortrefflicher Weise die statistische Me- chanik bearbeitet hat.[9] Zusammenfassend kann man Ehrenfests wissenschaftliche Begabung und Leistungsfähigkeit etwa so charakterisieren. Ehrenfest ist ein klarer, kriti- scher Kopf, der das Wesentliche einer Theorie wie selten einer herauszuschä- len weiss, und der den zeitgenössischen Bestrebungen durchaus selbständig gegenüber steht. Ehrenfest versteht es, auch eine schwierige Materie in einem
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