DOCUMENT 445 JUNE 1913 527 ruf erworben. Am weitesten ist sein Name bekannt geworden durch das von ihm in seiner berühmten Abhandlung über die Elektrodynamik bewegter Kör- per (1905)[10] aufgestellte Prinzip der Relativität, nach welchem der Wider- spruch zwischen der sonst ausgezeichnet bewährten Lorentzschen Theorie des ruhenden Lichtäthers und der experimentell nachgewiesenen Unabhän- gigkeit der elektrodynamisch-optischen Vorgänge an irdischen Körpern von der Bewegung der Erde seine radikale Erklärung findet durch den Umstand, daß ein mit der Erde bewegter Beobachter sich einer andern Zeitmessung be- dient als ein im heliozentrischen System ruhender Beobachter. Die umwäl- zenden Folgerungen dieser neuen Auffassung des Zeitbegriffs, die sich auf die gesammte Physik, vor Allem auch auf die Mechanik, und darüber hinaus bis tief in die Erkenntnistheorie erstrecken, haben später durch den Mathema- tiker Minkowski eine Formulirung gefunden, welche dem ganzen System der Physik ein neues einheitliches Gepräge gibt, indem darin die Zeitdimension als völlig gleichberechtigt mit den 3 Raumdimensionen auftritt. So fundamental sich dieser Gedanke Einsteins für die Entwicklung der physikalischen Prinzipien erwiesen hat, so liegen doch die Anwendungen desselben einstweilen noch hart an der Grenze des Meßbaren. Weit bedeu- tungsvoller für die praktische Physik hat sich sein Eingreifen in andere zur Zeit im Vordergrunde des Interesses stehende Fragen erwiesen. So war er vor Allem der Erste, der die Bedeutung der Quantenhypothese auch für die Ener- gie der Atom- und Molekularbewegungen nachgewiesen hat, indem er aus dieser Hypothese eine Formel für die spezifische Wärme fester Körper ablei- tete, die sich später zwar im Einzelnen nicht vollkommen bestätigt hat, aber doch die Grundlagen für die weitere Entwicklung der neueren kinetischen Atomistik schon richtig angibt. Auch mit dem lichtelektrischen und mit dem photoelektrischen Effekt hat er die Quantenhypothese durch Aufstellung neu- er interessanter, durch Messungen kontrollirbarer Beziehungen in Zusam- menhang gebracht, und hat als einer der ersten auf die enge Verwandtschaft zwischen den Konstanten der Elastizität und denen der optischen Eigen- schwingungen der Kristalle hingewiesen. Zusammenfassend kann man sagen, daß es unter den großen Problemen, an denen die moderne Physik so reich ist, kaum eines gibt, zu dem nicht Einstein in bemerkenswerter Weise Stellung genommen hätte. Daß er in seinen Spe- kulationen gelegentlich auch einmal über das Ziel hinausgeschossen haben mag, wie z. B. in seiner Hypothese der Lichtquanten, wird man ihm nicht all- zuschwer anrechnen dürfen denn ohne einmal ein Risiko zu wagen, läßt sich auch in der exaktesten Naturwissenschaft keine wirkliche Neuerung einfüh- ren. Gegenwärtig arbeitet er intensiv an einer neuen Gravitationstheorie mit
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