528 DOCUMENT 445 JUNE 1913 welchem Erfolg, kann auch erst die Zukunft lehren. Der eigenen reichen Pro- duktivität gegenüber steht die besondere Begabung Einsteins, fremden neu auftauchenden Ansichten und Behauptungen schnell auf den Grund zu gehen und ihr Verhältnis zu einander und zur Erfahrung mit überraschender Sicher- heit zu beurteilen. Aber nicht nur in der Aufstellung und Kritik neuer Hypothesen, auch in der Behandlung und Vertiefung der klassischen Theorie konnte Einstein von Be- ginn seiner literarischen Tätigkeit an als Meister gelten. Sein bevorzugtes Ar- beitsfeld ist hier die kinetische Theorie der Materie und ihre Beziehungen zu den Hauptsätzen der Wärmelehre. Die Gibbssche etwas abstrakte Behand- lungsweise der statistischen Mechanik hat er durch eine physikalisch an- schaulichere Darstellung ergänzt, und hat aus den Boltzmannschen Sätzen über die Schwankungen der Zustandsvariabeln eines im thermodynamischen Gleichgewicht befindlichen Systems eine Anzahl Folgerungen gezogen, wel- che die experimentelle Forschung nach verschiedenen Richtungen befruchtet haben, so in erster Linie die schönen Perrinschen Untersuchungen der Brownschen Molekularbewegung (Translation und Rotation der suspendirten Teilchen), deren Bedeutung für die kinetische Theorie der Materie gerade durch die Mitwirkung Einsteins noch erheblich verstärkt worden ist. Die Unterzeichneten sind sich wohl bewußt, daß ihr Antrag, einen in noch so jugendlichem Alter stehenden Gelehrten als ordentliches Mitglied in die Akademie aufzunehmen, ein ungewöhnlicher ist, sie meinen aber, daß er sich nicht nur durch die ungewöhnlichen Verhältnisse hinreichend begründen läßt, sondern daß es das Interesse der Akademie direkt fordert, die sich darbieten- de Gelegenheit zur Erwerbung einer so außerordentlichen Kraft nach Mög- lichkeit zu nutzen. Wenn sie auch naturgemäß für die Zukunft keine Bürg- schaft zu übernehmen vermögen, so treten sie doch mit voller Uberzeugung dafür ein, daß die heute schon vorliegenden wissenschaftlichen Leistungen des Vorgeschlagenen, von denen in der gegebenen Zusammenstellung nur die markantesten hervorgehoben sind, seine Berufung in das vornehmste wissen- schaftliche Institut des Staates vollauf rechtfertigen, und sie sind weiter auch davon überzeugt, daß der Eintritt Einsteins in die Berliner Akademie der Wis- senschaften von der gesammten physikalischen Welt im Sinne eines beson- ders wertvollen Gewinnes für die Akademie beurteilt werden würde. [Max] Planck. [Walther] Nernst. [Heinrich] Rubens E[mil] Warburg.[11]
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