DOCUMENT 452 JULY 1913 535 452. Expert Opinion on the Habilitation Petition of Otto Stern [Zurich,] 15. Juli 1913. Gutachten zu dem Habilitationsgesuch des Herrn Dr. O. Stern.[1] Ich kenne Herrn Dr. Stern seit zwei Jahren und hatte reichlich Gelegenheit, mich von der Selbständigkeit des wissenschaftlichen Urteils, der zähen Aus- dauer und der Tüchtigkeit dieses jungen Mannes zu überzeugen.[2] Ursprüng- lich physikalischer Chemiker hat er sich rasch in die Methodik der theoreti- schen Physik eingearbeitet. Von den beigelegten Arbeiten erwähne ich hier nur kurz seine Dissertation und eine mit mir zusammen durchgeführte wärmetheoretische Untersu- chung [3] denn diese beiden Arbeiten können noch nicht als selbständige Lei- stungen angesehen werden. Die als Habilitationsschrift beigelegte Arbeit Zur kinetischen Theorie des Dampfdrucks . . ." dagegen ist eine durchaus selbständige Leistung.[4] Die theoretische Bestimmung des Dampfdruckes fe- ster Körper ist ein Problem, welches durch das Nernst'sche Wärmetheorem zu einer grossen Wichtigkeit gelangt ist, und an welchem sich daher die tüch- tigsten Physiker der Gegenwart versucht haben, ohne dass diese Bemühungen zu dem ersehnten Ziele geführt hätten. Im vergangenen Jahre hat nun Sackur eine Formel gefunden, die der Erfahrung innerhalb der Fehlergrenzen ent- sprach [5] aber Sackurs Versuch einer theoretischen Begründung dieser For- mel muss als missglückt angesehen werden denn Sackur musste für die Ab- leitung Hypothesen über die Molekularbewegung in Gasen heranziehen, die jeder Berechtigung entbehrten. Herrn Stern ist es nun gelungen, jene Formel mit den Methoden der kinetischen Gastheorie abzuleiten, ohne dass er zu ir- gend welchen besonderen Hypothesen seine Zuflucht nehmen musste. Diese Ableitung ist nach der Ansicht des Referenten eine wissenschaftliche That von bleibendem Werte. Die von Herrn Stern ersonnene Methode, welche ihm gestattete, das Ziel in verblüffend einfacher Weise zu erreichen, verrät unge- wöhnliche Begabung. In mehreren Vorträgen, die Herr Stern im Kolloquium gehalten hat, hat er gezeigt, dass er zum Lehren sehr geeignet ist. Er ist ferner nach der Ansicht aller, die hier mit ihm zu thun haben, ein Mann von offenem und wohlwol- lendem Charakter. Herr Prof. Weiss[6] und der Referent haben Herrn Dr. Stern veranlasst, das
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