DOCUMENT 47 JULY 1907 49 47. From Max Planck Grunewald, 6. Juli 07. Sehr geehrter Herr! Ihre freundliche Karte vom 3. d. M. erinnert mich daran, daß ich Ihnen noch die Antwort auf Ihren werthen Brief vom 6. Juni schuldig bin,[1] die ich mir schon längst vorgenommen hatte, da mir daran gelegen ist, auf Ihre mir sehr interessanten Ausführungen zurückzukommen. 1.) Aus Ihrer Feststellung, daß Sie eine Farbenänderung einer in einem von ruhenden spiegelnden Wänden umschlossenen Vakuum befindlichen Strahlung für ausgeschlossen halten, ersehe ich, daß der betreffende Verdacht auf einem Mißverständnis meinerseits beruht. Dieser Punkt ist also erledigt. 2.) Sie stellen meinem Satze (§97 etc meines Buches),[2] daß die Entropie einer Hohlraumstrahlung mit spiegelnden Wänden unveränderlich ist, den anderen (§103) gegenüber, daß die Ausdehnung einer Strahlung auf ein grö- ßeres Volumen, ohne Arbeitsleistung irreversibel ist (§103), und finden die Lösung dieses Widerspruches darin, daß man nicht annehmen dürfe, es ent- spreche jedem Zustand eines physikalischen Systems ein ganz bestimmter Entropiewerth. Nach meiner Auffassung dagegen liegt ein Widerspruch der beiden obigen Sätze überhaupt nicht vor, falls man nur scharf unterscheidet zwischen regulärer und diffuser Reflexion. Sind nur regulär reflektierende (spiegelnde) Wände vorhanden, so bleibt nach meiner Auffassung die Entro- pie stets unveränderlich. Auch in Ihrem Beispiel mit dem spiegelnden Ka- sten, wo eine Strahlung durch plötzliches Entfernen eines Schiebers sich auf ein größeres Volumen vertheilt, betrachte ich den Vorgang als vollkommen reversibel, falls sämmtliche Wände absolut spiegeln. Denn hiebei hat jedes einzelne Strahlenbündel seine ganz bestimmte, für alle beliebigen Zeiten an- gebbare Geschichte, genau wie bei der ungestörten Ausbreitung im freien un- endlichen Vakuum, und die sich treffenden Strahlenbündel beeinflussen sich nicht (im charakteristischen Gegensatz zu den sich treffenden Molekeln in ei- nem Gase.) Sobald dagegen irgendwo diffuse Reflexion stattfindet, kommt ein irreversibles Element in den Vorgang hinein, und die Entropie wächst. Ich habe diesen Umstand auch in meiner Darstellung (§103 und §70) dadurch be- zeichnet, daß ich bei der irreversibeln Ausdehnung stets das Vorhandensein diffus reflektierender Wände als wesentlich bezeichnete. Ich glaube aller- dings, daß dieser Unterschied unserer Meinungen nicht sehr tiefgehender Na- tur ist. 3.) Anders ist es aber vielleicht bei folgender Frage: Besitzt das absolute Vakuum (der freie Aether) irgend welche atomistische Eigenschaften? Nach Ihrer Bemerkung (Ann. 23, p. 372, 1907), daß der elektromagnetische Zu-
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