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DOC.
48 SMOLUCHOWSKI
738 Smoluchowski: Karl Olszewski
-
ein Gelehrtenleben.
lichen,
in der
Phys.
Zeitschr. veröffentlichten
Vortragszyklen
erinnert,
die
er
1913
und
1916
-
eingeladen
von
der
kgl.
Gesellschaft
der Wis-
senschaften
-
in
Göttingen gehalten
hat;
sie
geben
eine schöne Übersicht über die Lebensarbeit
des
uns
leider
so
früh
Entrissenen.
Alle,
die
Smoluchowski
persönlich
genauer
kannten,
lieb-
ten
in ihm nicht
nur
den
geistreichen
Forscher,
sondern auch den
edlen, feinsinnigen
und
wohl-
wollenden Menschen. Die
Weltkatastrophe
der
letzten
Jahre
erweckte in ihm kein anderes Ge-
fühl
als namenlosen Schmerz über die Roheit
der
Menschen und
die
Schädigung
unserer
kul-
turellen
Entwicklung.
Zu früh hat
das
Schick-
sal sein
segensreiches
Wirken als Forscher und
Lehrer
abgeschnitten;
wir aber wollen sein Vor-
bild und
seine
Werke hochhalten!
[8]
Karl Olszewski
-
ein
Gelehrtenleben.
Von Prof.
Dr.
M.
von
Smoluchowsky
f,
Krakau1).
Inmitten
des
welterschütternden
Kriegsge-
töses ist ein
Ereignis
fast unbemerkt vorüber-
gegangen,
welches
zu
anderen Zeiten wohl
in der
ganzen
Kulturwelt
einen lebhaften Widerhall
geweckt
hätte:
der
Tod K. Olszewskis.
Das stille Ende eines Gelehrtenlebens blieb
unbeachtet
von
den
Tagesblättern,
schien
es
doch
bedeutungslos
im
Vergleich
mit den Hekatomben-
opfern,
welche
den
Werdegang
der Geschichte
unserer
Tage ewigem Angedenken
überliefern.
Aber
auch
Olszewskis Name wird in der
Ge-
schichte weiterleben
-
allerdings
nicht in der
politischen,
sondern
in der
Kulturgeschichte
-
und
zwar
als
ein Markstein in der Entwicklung
der
Wissenschaft,
als
Zeugnis
für
polnische Ge-
lehrtentätigkeit.
Die historische Tat
Olszewskis,
durch
welche
sein Name untrennbar mit
jenem
Wróblewskis
verknüpft ist,
war
bekanntlich die
Verflüssigung
der Luft. Mancher
Fernerstehende wird
sogar
erstaunt sein,
zu
hören,
daß
einer der beiden
Krakauer
Gelehrten bis
jetzt gelebt hat,
von
denen
er
seinerzeit,
noch auf der Schulbank
sitzend, gehört
hatte.
In der Tat sind
es zwar
nur
32
Jahre
her,
aber
so
groß
ist der
Weg,
den
der
Fortschritt seitdem wieder
zurückgelegt
hat,
daß
uns
jene Dinge
heute wie
das
ABC der
Wissenschaft
erscheinen.
Seinerzeit
war
es
aber eine
ganz
sensationelle
Entdeckung,
welche
um so
mehr Aufsehen
er-
regte,
da sie in
einer
abseits
vom
großen Tages-
getriebe
liegenden
Stadt
und
mit relativ
primi-
tiven Mitteln
ausgeführt
w
e,
und welche
so-
gar
den Chauvinismus
gewisser
ausländischer
Kreise soweit reizte,
daß deren
gänzlich
unbe-
gründete
Prioritätsreklamationen einen
leb-
haften, in
Flugschriften
und
Tagesblättern
aus-
getragenen
Streit
entfesselten.
Die Verflüssi-
gung
der
sogenannten
"permanenten" Gase
war
ja ein klassisches
Problem
geworden,
um
dessen
Lösung
sich die
besten
Fachmänner,
Natterer
in
1)
Aus dem Nachlasse.
[Die
Natur-
wissenschaften
Wien, Cailletet und Berthelot in
Paris, Andrews
in
Glasgow,
Pictet
in
Genf, vergeblich bemühten.
Am
weitesten
war
noch Cailletet
gelangt,
welcher stark
komprimierte
Luft
durch
flüssiges
Äthylen
bis
-1050
abkühlte und
während
des
Entspannens derselben
das
Entstehen
von
Tröpf-
chen
und ein lebhaftes Wallen
der halb
flüssigen,
halb
gasförmigen
Masse
bemerkte. War
hierdurch
wohl
erwiesen, daß
sich die Luft
überhaupt
ver-
flüssigen lasse,
so
führte
doch
der
von
Cailletet
eingeschlagene
Weg
nicht
zur
Beantwortung
der
Frage,
auf welche Weise
dies anzustellen
sei,
da
die
Kondensationserscheinungen
beim Ent-
spannen
nur
von
momentaner Dauer
waren.
Erst
wenn
gelingen würde,
die Luft
als tropfbare
Flüssigkeit dauernd
zu
erhalten, sie
im
"stati-
schen Zustand"
zu
verflüssigen
-
wie sich
der
berühmte Chemiker
Berthelot ausdrückte
-
wäre das Problem
gelöst,
und könnte
man
sodann
die
Eigenschaften
der
flüssigen
Luft
studieren
und sie weiter
als
Kältemittel
gebrauchen.
Dies
gelang
nun
den
beiden
polnischen
For-
schern
(1883)
durch
Anwendung
eines kleinen,
aber entscheidenden
Kunstgriffs: durch
Ver-
dampfung des flüssigen Äthylens im Vakuum.
wodurch eine noch
um
470 tiefere
Temperatur
erzeugt
wird
als
jene,
von
welcher Cailletet
aus-
ging.
Hiermit
war
die
sogen.
kritische
Tempe-
ratur
der
Luft
erreicht; Sauerstoff und
bald dar-
auf auch Stickstoff und
Kohlenoxyd
wurden
so
zum
ersten
Mal
als
klare wasserähnliche
Flüssig-
keiten
erhalten,
und
so
war
der
große
Schritt
getan,
welcher
nun
eine
Ausdehnung
der For-
schungen
über
tiefe
Temperaturen
auf ein
ganz
neues,
früher
unzugängliches
Gebiet
ermöglichte.
Man hat
später
mitunter darüber debattiert.
welchem der beiden Gelehrten dabei
das größere
Verdienst zukam
-
wohl eine müßige und
nicht
entscheidbare
Frage.
Wróblewski
war
vorher
seit
längerer
Zeit mit Untersuchungen
über
ver-
wandte
Fragen
aus
der
Physik
der Gase
beschäf-
tigt
gewesen,
hatte in Paris die
von
Cailletet
öffentlich demonstrierten
Versuche
gesehen
und
hatte
sich
auch die
von
letzterem benutzte
Kom-
pressionspumpe angeschafft
und
nach Krakau
mitgebracht.
Andererseits hatte sich
Olszewski
als
Assistent
des Chemieprofessors Czyrnianski
mit der
Verflüssigung
von
Kohlensäure und
an-
deren Gasen
mit
Hilfe
einer alten Nattererschen
Kompressionspumpe vertraut gemacht,
die
von
ihm
neu
hergerichtet
worden
war.
Wie
so
off
in solchen
Fällen, mag
gerade das
Zusammen-
kommen der
zwei
Männer verwandter
Bestrebun-
gen
für
die
Wahl der
gemeinschaftlichen
For-
schungsrichtung
und für
den
schlagenden Erfolg
bestimmend
gewesen
sein.
Die Mitarbeiterschaft
war
übrigens
nur
von
kurzer Dauer
-
es
scheinen
die
zwei
Charaktere
zu
verschieden
gewesen
zu
sein.
Interessant ist überhaupt der Vergleich
dieser
beiden Persönlichkeiten.
Wroblewski
war
ein
Feuergeist, voll
Unternehmungslust
und kühner
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