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dass an der Erdoberfläche der Aether an der Bewegung der Erde um die Sonne
nicht
teilnehme.[8]
3) Die LorentzÊsche Theorie. Die Theorie des ruhenden Lichtäthers wurde vollends
erfolgreich durch die bahnbrechenden Forschungen von H. A. Lorentz
(1895),[9]
welcher die Maxwell’sche Theorie vereinfachte und vertiefte und dieselbe zugleich
mit allen damals bekannten elektromagnetischen und optischen Erfahrungen in
Einklang brachte. Seine Theorie beruht auf folgender Basis.
a) Auch in der Materie ist nur der Aether (nicht aber die Materie) Sitz des elek-
tromagnetischen Feldes
b) Die Materie ist nur dadurch elektromagnetisch wirksam, dass sie Trägerin
elektrischer Massen ist, welche zusammen mit ihr (bei Bewegung der Materie) und
relativ zu ihr (beim Vorhandensein eines elektrischen Stromes, einer veränderli-
chen elektrischen Polarisation, einer Magnetisierung) beweglich sind.
c) Inbezug auf ein Koordinatensystem gegen welches der Lichtäther in Ruhe ist
gelten überall (auch innerhalb der Materie) die Maxwell’schen Gleichungen für das
Vakuum.
Zwischen Maxwell und Lorentz vollzog sich langsam eine wichtige Wandlung
in den Fundamental-Anschauungen der theoretischen Physik, die wir nicht unbe-
achtet lassen dürfen. Maxwell selbst hielt noch an der Auffassung fest, dass alles
physikalische Geschehen mechanisch gedeutet werden müsse. Aber seine und
anderer bedeutender Theoretiker Bemühungen, ein mechanisches Modell der elek-
tromagnetischen Vorgänge im Aether zu ersinnen, waren nicht von Erfolg gekrönt.
Poincaré machte darauf aufmerksam, dass, selbst wenn die Konstruktion eines
solchen Bildes gelänge, dies keinen entscheidenden Erfolg bedeuten würde; denn
dies Bild sei dann eines von unendlich vielen möglichen, die im Prinzip gleichbe-
rechtigt
wären.[10]
Man gewöhnte sich allmählich daran, die elektromagnetischen
Felder als letzte physikalische Realitäten anzusehen, die einer Zurückführung auf
mechanische Elemente nicht mehr bedürfen. Heute erscheint dem Fachmann die
mechanische Interpretation des elektromagnetischen Feldes als überflüssig, weil—
wir uns allmählich unter dem Eindruck vieler Misserfolge daran gewöhnt haben, in
dieser Beziehung zu resignieren, und auch deshalb, weil wir im letzten Stadium der
theoretischen Entwicklung von der Meinung abgekommen sind, dass mechanische
Vorgänge als einfacher und als besser bekannt und begreiflich aufzufassen seien als
physikalische Vorgänge anderer Art.
Der Aether hat demnach in dieser Periode gewissermassen etwas von seiner
Körperlichkeit eingebüsst. War er ehedem ein elastischer fester Körper, so war er
nun nur mehr ein Träger elektromagnetischer Felder. Man kann von ihm sagen: sei-
ne einzige mechanische Eigenschaft war seine Unbeweglichkeit.
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