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Ich will auf die wichtigen Bestätigungen der Lorentz’schen Theorie nicht näher
eingehen sondern nur bemerken, dass es auch heute keine andere Theorie der elek-
tromagnetischen Vorgänge gibt, welche sich irgendwie mit ihr messen könnte, was
Wahrheitsgehalt und was innere Folgerichtigkeit betrifft.
4) áDas spezielle Relativitätsprinzip.ñ Der Aetherwind. Eine fatale Seite aber
schien der Lorentz’schen Theorie anzuhaften—nämlich der ruhende Lichtäther,
welcher gewissermassen eine Verkörperung des von Newton eingeführten absolu-
ten Raumes war. Es drängt sich nämlich folgende Überlegung auf. Die Erde bewegt
sich auf ihrer Bahn um die Sonne mit einer Geschwindigkeit von 30 km/Sek. Wie
also auch der Bewegungszustand der Sonne gegenüber dem Aether sein mochte, si-
cher musste eine bedeutende Geschwindigkeit der Erde gegenüber dem Lichtme-
dium mindestens während eines Teils des Jahres vorhanden sein. Man kann dies
auch so ausdrücken: der Aether strömt an uns, die wir auf der Erde sitzen, mit einer
sehr erheblichen Geschindigkeit (mindestens 30 km) vorbei bezw. durch uns und
durch die Erde hindurch (Aetherwind). War auch das Blasen dieses Windes nicht
direkt zu spüren, so sollte er sich doch indirekt bei den elektromagnetischen und
optischen Experimenten bemerkbar machen. So möchte man beispielsweise erwar-
ten, dass die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum in der Richtung des Aetherwindes
, in der entgegengesetzten betrage, wenn v die Geschwindigkeit der
Erde gegen den Aether bedeutet. Allgemein wäre zu erwarten, dass bei optischen
und elektromagnetischen Versuchen auf der Erde die Orientierung der Apparatur
gegen die Richtung des Aeterwindes von Einfluss wäre.
Die experimentelle Bestätigung der Existenz des Aetherwindes reizte natürlich
die Physiker ungeheuer. Die verschiedensten Apparaturen, deren Gesamt-Orientie-
rung relativ zur Richtung des Aetherwindes geändert werden konnte, und sich in-
folge der Erddrehung im Laufe eines Tages ja auch von selbst ändern musste, wur-
den untersucht. Aber niemals konnte ein Effekt nachgewiesen werden, der als die
Wirkung des Aetherwindes hätte aufgefasst werden könnte.
H. A. Lorentz selbst sah mit aller Klarheit, dass dieser negative Befund eine
Thatsache von höchster Bedeutung sei, mit der sich seine Theorie auseinanderzu-
setzen habe. Er bewies durch scharfsinnige Rechnungen, das zufolge seiner Theo-
rie der Aetherwind auf fast alle der wirklich ausführbaren und ausgeführten Versu-
che keinen experimentell nachweisbaren Einfluss haben konnte. Es beruhte dieser
Nachweis auf dem Umstande, dass die Geschwindigkeit v des Aetherwindes so
klein gegen die Lichtgeschwindigkeit c sei, dass die Grösse als eine praktisch
verschwindend kleine Verhältniszahl (Grössenordnung ein Hundert-Millionstel)
sei. Nur ein Experiment gab es, nämlich das berühmte von Michelson (1881, mit
noch grösserer Genauigkeit 1887 von Michelson und Morley wiederholt),[11]
[p. 4]
c v + c v
v
c
--
è ø
æ
ö2
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