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ihrer Definition nach völlig unabhängig voneinander sind. Aus beiden Gleichun-
gen ergibt sich.
(Träge Masse) × (Fallbeschleunigung) = (Schwere Masse) ×
(Intens. d. Schwerefeldes)
Damit nun das der Erfahrung entsprechende Gesetz gelte
(Fallbeschleunigung) = (Intens. d. Schwerefeldes);
muss gelten:
Träge Masse = Schwere Masse
Die Erfahrungsthatsache vom gleichen Fallen aller Körper kann also im Geiste der
Newton’schen Mechanik auch als Satz von der Gleichheit der trägen und schweren
Masse aufgefasst werden, der vom Standpunkte der Newton’schen Mechanik aus
durchaus keine Selbstverständlichkeit bedeutet.
Dieser Satz wurde mit ausserordentlicher Genauigkeit durch Versuche von
Eötvös[39]
bewiesen, die auf folgendem beruhen. Auf einen Körper wirkt an der
Erdoberfläche die Schwerkraft der Erde und die Zentrifugalkraft der Erddrehung.
Die erstere Kraft ist proportional der schweren, die letztere der trägen Masse. Die
Resultierende beider Kräfte wird nur dann unabhängig sein vom Material, wenn
das Verhältnis der trägen zur schweren Masse unabhängig vom Material ist. Eötvös
befestigte an den Enden des horizontalen Balkens einer Drehwage Massen von ver-
schiedenem Material. Im Falle einer unvollständigen Proportionalität von träger
und schwerer Masse mussten die auf diese beiden Massen wirkenden resultieren-
den Kräfte nicht genau parallel sein; es musste ein Drehmoment auf das System
wirken, wenn der Balken in die Ost-West-Richtung eingestellt wurde. Der negative
Befund wurde mit solcher Präzision festgestellt, dass die relative Verschiedenheit
der trägen und der schweren Masse kleiner als sein musste.
(16) Allgemeine Gründe für ein allgemeines
Relativitätspostulat.[40]
Die klassische
Mechanik und die spezielle Relativitätstheorie kennen berechtigte Koordinatensy-
steme (Inertialsysteme) und nicht berechtigte Koordinatensysteme. Relativ zu er-
steren sollen die Naturgesetze (z. B. das Trägheitsgesetz und der Satz von der Kon-
stanz der Lichtgeschwindigkeit) gelten, relativ zu letzteren nicht. Vergebens frägt
man nach dem objektiven Grund für diese Verschiedenwertigkeit der Systeme; man
ist genötigt, sie durch eine selbständige, höchst sonderbare Eigenschaft des Raum-
Zeit-Kontinuums zu erklären. Nur ungern gab sich Newton mit dieser Auffassung
(„absoluter Raum“) zufrieden, glaubte aber im Vorhandensein der Zentrifugalwir-
kung einen objektiven Beweis für dieselbe in der Hand zu haben.
Aber E. Mach erkannte als erster die Schwäche dieses Argumentes. Vielleicht
bestimmte nicht eine physikalische Qualität des Raumes das Trägheits-Verhalten
der Körper; es war doch auch möglich, dass die Trägheit nicht der (begrifflich in-
haltslosen) Beschleunigung gegen den Raum sondern der Beschleunigung gegen
[p. 23]
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