DOC. 49 RESPONSE
TO
REICHENBACHER 369
1010
Zuschriften
an
die Herausgeber.
[
Die
Natur-
wissenschaften
meiner Arbeit
Uber die Grundlagen einer
Theorie
der
Elektrizität
und
der Gravitation
(Ann.
d.
Phys.
52,
134.
1917)
die Verzerrung als Folgerung der elek-
trischen
Wirkungen einführte,
wenn
ich auch
nicht
sagen will,
daß der damals
von
mir beschrittene
Weg
in allen
Einzelheiten
richtig
war;
aber
in
der Haupt-
sache führte
er zu
dem richtigen Ziel,
der Erkenntnis
der
Gravitation
als
Folge
der
Verzerrung
des vier-
dimensionalen
Raumzeitkontinuums.
Selbstverständlich
muß
man
gerade diese
von
mir
als das Absolute
gesetzte
Raumzeitmannigfaltigkeit als
physikalisch
real
von
allen anderen
Mannigfaltig-
keiten unterscheiden, denen diese
Eigenschaft
nicht
zu-
kommt,
sofern sie nicht etwa in jener als Unter-
maunigfaltigkeiten enthalten
sind.
Sie umfaßt dann
sowohl den
Äther
als die
Materie,
die sich
nur
durch
ihren Krummungscharakter unterscheiden,
da für
er-
eteren
die
Krümmung
0.
für letztere
von 0
verschie-
den ist. Weltlinien
gibt es
nur
für materielle Teil-
chen, da
sie solche Punkte verbinden,
deren Krüm-
mungscharakter
im wesentlichen der
gleiche
bleibt.
Da
aber
im
Äther
die
Krümmung
stets
0
ist,
so
ist
es
unmöglich,
ein einzelnes
Ätherteilchen
in seinem
Schicksal
zu
verfolgen;
es
geht in der
großen Menge
seiner Genossen verloren und führt kein
individuelles
Dasein, womit ich
zu
einer
auch
von
Einstein
ge-
äußerten Ansicht komme.
Wrahalb
nun
gerade diese Raumzeitmannigfaltigkeit
vor
allen
anderen durch die Eigenschaft der physika-
lischen Realität ausgezeichnet ist,
laBt sich natürlich
nur
schwer
sagen.
Immerhin haben aber für
die
Tat-
sache der vierfachen
Ausdehnung Weyl1)
und
ich2)
einige
Gründe
beigebracht,
die
es
erklärlich erscheinen
lassen, daß
gerade
die
vierdimensionalen
Mannig-
faltigkeiten
vor
den anderen
bevorzugt
sind. Eine
weitere Reihe
von
Gründen hat
Ehrenfest3)
angeführt.
Wilhelmshaven, den
22.
Oktober 1920.
Ernst
Reichenbacher.
Antwort
auf vorstehende Betrachtung.
Die Frage, ob sich
die Gravitationstheorie
auch
ohne Relativitatsprinzip
aufstellen
und
begründen
lasse,
ist
im Prinzip ohne Zweifel mit
"ja"
zu
beant-
worten.
Wozu
also
das
Relativitatsprinzip?
Ich ant-
worte
zunächst
mit einem
Vergleich.
Die Wärme-
lehre ist sicherlich ohne Benutzung des zweiten
Haupt
satzes entwickelbar;
wozu
also den zweiten
Hauptsatz
heranzieben?
Die
Antwort
liegt auf der Hand. Von zwei Theo-
rien,
die der
jeweiligen
Gesamtheit gesicherter Erfah-
rung
auf einem
Gebiete gerecht
werden,
ist diejenige
vorzuziehen,
welche
weniger
voneinander
unabhangige
Annahmen
nötig
hat. Von diesem
Gesichtspunkte
aus
betrachtet
ist
das
Relativitätsprinzip
für die
Elektro-
dynamik und Gravitationslehre ebenso wertvoll wie der
zweite
Hauptsatz
für die
Wärmelehre.
Denn
es
be-
dürfte.
vieler
unabhängiger
Hypothesen, um zu
den
Folgerungen
der
Relativitätstheorie
zu
gelangen,
ohne
das Relativitätsprinzip
zu benutzen.
Dies
zeigen
alle
bisherigen
Versuche,
das Relativitätspostulat
zu
umgehen.
Abgeschen
davon aber ist die
Einführung
des all-
gemeinen
Relativitätsprinzips auch
vom
erkenntnis-
theoretischen
Standpunkte
aus
gerechtfertigt.
Denn
das Koordinatensystem ist
nur
Beschreibungsmittel
und
hat
an
sich nichts
zu
tun
mit
den
zu
beschreiben-
den
Gegenständen.
Diesem
Sachverhalt wird
nur
das
1)
Ann.
d. Phys.
59,
S.
101,
1919.
2)
Ann. d. Phys.
63,
S.
93,
1920.
3)
Ann. d. Phys.
61,
S.
440,
1920.
allgemein
kovariant formulierte Naturgesetz
völlig ge-
recht;
denn
in
jeder
anderen
Beschreibungsweise
werden
Aussagen
über
das
Beschreibungsmittel
und Aussagen
Uber den
zu
beschreibenden Gegenstand miteinander
vermengt.
Ich führe
das Galileische Trägheitsgesetz als
Beispiel
an.
Es
lautet in ausführlicher
Formulierung
notwendig
so:
Voneinander hinreichend
entfernte
ma-
terielle Punkte
bewegen
sich geradlinig gleichförmig
-
vorausgesetzt,
daß man
die
Bewegung
auf ein
passend
bewegtes
Koordinatensystem bezieht und
daß man
die
Zeit
passend
definiert.
Wer
empfindet
nicht das Pein-
liche einer
solchen
Formulierung? Den
Nachsatz
weg-
lassen aber
bedeutete
eine
Unredlichkeit.
Ich
gehe nun zu
den
Einwänden
bezüglich
der rela-
tivistischen Theorie des Schwerefeldes über. Da
ver-
gißt Herr
Reichenbächer
zunächst
das
entscheidende
Argument,
daß
nämlich die numerische
Gleichheit
der
trägen
und
schweren Masse auf eine
Wesensgleichheit
zurückgeführt
werden
müsse1).
Dies wird
bekanntlich
durch das
Aquivalenzprinzip geleistet.
Gegen
dies
Äquivalenzprinzip erhebt
er (wie
Herr Kottler) den
Einwand,
daß
Gravitationsfelder
für
endliche
zeit-
räumliche
Gebiete im
allgemeinen
nicht
wegtransfor-
miert
werden können.
Er übersieht
dabei, daß
es
hierauf
nicht
im
mindesten ankommt. Wesentlich ist
ja
nur,
daß
man
berechtigt
ist,
das mechanische Ver-
halten
eines materiellen Punktes in einem
Augenblick
nach
Willkür
(je
nach der Wahl des
Bezugssystems)
auf Schwere oder auf
Trägheit
zuruckzufuhren. Mehr
ist nicht erforderlich;
es
ist für
die
Erzielung
der
Wesensgleichheit
von
Trägheit und Schwere nicht
er-
forderlich,
daß durch
dieselbe Koordinatenwahl
das
mechanische
Verhalten zweier oder mehrerer Massen
als bloße
Trägheitawirkung gedeutet werden könne.
Es bestreitet
ja
z.
B. auch niemand,
daß die
spezielle
Relativitätstheorie
der relativen
Natur
der
gleichför-
migen Bewegung
gerecht werde,
trotzdem sie nicht
imstande
ist,
durch eine und
dieselbe
Koordinatenwohl
alle
beschleunigungsfreien Körper
zugleich
auf Ruhe
zu
transformieren.
Der Fall
der
wegtranformierbaren Gravitations-
felder
ist
nur wichtig
als
ein
uns
bekannter
Spezial-
fall. der den
von uns gesuchten
Naturgesetzen sicher-
lich
genügen
muß.
Der zweite Einwand
ist der. daß die Felder, welche
in
bezug
auf das
gegen
ein Inertialsystem
rotierende
Koordinatensystem bestehen (Zentrifugalfelder, Korio-
lisfelder).
nur
"fingierte",
nicht
aber "reale" Felder
seien. Dies gilt
gemaß
Newtons
Theorie,
weil
jene
Felder
nicht das Poissonsche Differentialgesetz erfül-
len.
Gemäß
der allgemeinen
Relativitätstheorie
erfül-
len
sie
aber
die
Differentialgleichungen
des
Feldes und
sind
infolgedessen
in
bezug
auf das gewählte Koordi-
natensystem
ebenso
"real" wie
Felder
in der
Umgebung
eines
ponderablen
Körpers.
Uber
die Frage, ob jene
Felder indirekt
auf die
Wirkung
von
Massen zurückgeführt werden sollen oder
nicht, sind
sich die Anhänger der
Relativitätstheorie
nicht
einig.
Ich
selbst
bin der ersteren
Meinung,
nach
welcher alle auch
noch
so
fernen Massen
der Welt
am
Zustandekommen des Gravitationsfeldes
an jeder
Stelle
mitbeteiligt
sind.
Ich
brauche hier
auf
diese
mit dem
1)
Statt
"Da
die Schwere
. . .
ihre Wirkung .in
Beschleunigung
äußert
. .
." hätte Herr Reichenbächer
sagen
sollen "Da
die Schwerbeschleunigung
unab-
hängig vom
Material
und Zustand der durch die
Schwerkraft beeinflußten
Körper
ist."
Nur
durch
die letztere Eigenschaft unterscheidet sich nämlich das
Schwerefeld
von
den
übrigen
Kraftfeldern.
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