6 V O L . 6 , D O C . 4 4 a P R I N C I PA L I D E A S O F R E L AT I V I T Y
als ein weiterer Schritt in der Jahrhunderte alten Entwicklung unserer Naturwissen-
schaft, der die bisher gefundenen Zusammenhänge aufrecht erhält und vertieft und
neue hinzufügt. Die Relativitätstheorie stürzt so wenig die Newton’schen und Max-
well’schen Theorien um wie der
Völkerbund[5]
diejenigen Staaten vernichtet, die
ihm beitreten. Sie müssen sich wohl einige Modifikationen ihrer Gesetze gefallen
lassen, erlangen aber dafür erhöhte Sicherheit.—
Im Alltagsleben dient uns der Erdboden meist als Bezugskörper, dessen einzelne
Punkte wiedererkannt werden können. Die mathematische Physik wählt als Be-
zugskörper (Koordinatensystem) drei von einem Punkt ausgehende, auf einander
senkrecht gradlinige Stäbe. Die Lage eines Punktes zu diesem Stabsystem wird
durch drei Zahlen (Koordinaten) beschrieben, die durch Messung mit starren Stä-
ben (Massstäben) gewonnen werden. Dabei wird angenommen, dass die Gesetze
der Lagerung starrer Körper durch Euklids Geometrie richtig beschrieben seien.
Auf dieser Voraussetzung beruhen alle Ortsangaben der bisherigen Physik. Wo
auch ein Punkt gelegen sein mag, immer kann man das Stabsystem und die Mess-
konstruktionen so vervollständigt denken, dass sie an den betrachteten Punkt her-
anreichen. Man muss dies so ähnlich denken wie ein Baugerüst, mit dem man bis
zu jedem Türmchen und Eckchen eines noch so grossen Baues herankommt. Dabei
ist es in der Physik gar nicht nötig, dass dieses Gerüst wirklich bestehe, wenn man
es nur durch indirekte Operationen (mit Lichtstrahlen etc.) konstruiert denken
kann.
Die mechanischen Grundgesetze Galileis und Newtons sind nun so beschaffen,
dass sie nicht gegenüber beliebig bewegten Bezugskörpern Gültigkeit beanspru-
chen können sondern nur gegenüber Bezugskörpern von geeignet gewählten Bewe-
gungszuständen. Man nennt solche in der Mechanik zugelassene Bezugskörper
„Inertialsysteme“. Es gilt nun in der Mechanik der Satz Ist der Bezugskörper K ein
Inertialsystem, so ist auch jeder gegenüber K gleichförmig, gradlinig und dre-
hungsfrei bewegte Bezugskörper ein Inertialsystem. Einfacher gesagt: gelten die
mechanischen Gesetze gegen den Erdboden als Bezugskörper, so gelten sie auch
gegen einen gleichförmig fahrenden Eisenbahnwagen als Bezugskörper.
Nun kann ich das vorhin vom Licht Ausgeführte in die einfache Formel fassen:
Relativ zu jedem Inertialsystem gilt—bei richtiger Definition der Zeit—der Satz
von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit im leeren Raume. Allgemeiner kann
man als den Ausdruck vielfacher Erfahrung den Satz betrachten: Die Naturgesetze
sind für alle Inertialsysteme die gleichen. Dieser Satz heisst „spezielles Relativi-
tätsprinzip.“
Dass dieser Satz eine neuartige physikalische Forschungsmethode in sich
schliesst, kann man folgendermassen einsehen. Angenommen, man habe die Welt
bezw. die sie bildenden Einzelereignisse inbezug auf ein Inertialsystem beschrie-
[p. 6]
Previous Page Next Page