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3. Einstein über amerikanische und englische Wissenschaft.
Professor Einstein hat sich mit dem Berliner Korrespondenten des „Nieuwe Rotterdam-
sche Courant“ über seine Eindrücke aus Amerika unterhalten. Nachdem er über den eigent-
lichen Zweck seiner Reise, nämlich Beförderung der zionistischen Ziele in Amerika,
gesprochen und betont hatte, daß hauptsächlich die Mittelklasse große Summen für sie zu-
sammengebracht habe, sprach er über die Gründe des außerordentlich herzlichen Emp-
fangs, den er in Amerika gefunden habe: „Die übergroße Begeisterung für mich in Amerika
scheint echt amerikanisch zu sein, und wenn ich es richtig begreife, daran zu liegen, daß die
Menschen sich dort so ungeheuer langweilen, viel mehr als bei uns. Es ist ja auch so wenig
für sie da! Natürlich haben New-York, Boston, Chicago und andere Städte ihre Theater und
Konzerte, aber im übrigen? Es gibt Städte mit einer Million Einwohnern—trotzdem welche
Armut, welche geistige Armut! Die Leute sind also froh, daß ihnen etwas gegeben wird,
womit sie spielen und wofür sie schwärmen können, und das tun sie dann mit ungeheurer
Intensität. Vor allen Dingen die Frauen, die in der Tat das ganze Leben in Amerika beherr-
schen. Die Männer interessieren sich für gar nichts; sie arbeiten und arbeiten, wie ich es
noch nirgendwo gesehen habe. Im übrigen sind sie das Spielhündchen der Frauen, die das
Geld in der maßlosesten Weise ausgeben und sich in einen Nebel von Extravaganz hüllen.
Sie tun alles, was en vogue und in der Mode ist, und haben sich nun zufällig auf die Ein-
stein-Methode geworfen. Ob es einen lächerlichen Eindruck auf mich macht, die Aufge-
regtheit der Menge für meine Lehre und meine Theorie, von der sie doch nichts versteht,
zu beobachten? Ich finde es komisch und zugleich interessant, dies Spiel zu beobachten.
Ich glaube bestimmt, daß es das Geheimnisvolle des Nichtbegriffenen ist, das sie bezaubert.
Man erzählt ihnen von etwas Großem, das Einfluß auf das ganze weitere Leben haben soll,
und von einer Theorie, die nur von dem Auffassungsvermögen einer kleineren Gruppe
Hochgelehrter bewältigt werden kann, und es werden große Namen genannt, die auch Ent-
deckungen gemacht haben, von denen die Masse nichts begreift. Es imponiert ihnen, es be-
kommt die Farben und die bezaubernde Macht des Mysteriösen . . . , so wird man enthusia-
stisch und aufgeregt.
Mein Eindruck von dem wissenschaftlichen Leben Amerikas? Nun, ich habe mit gros-
sem Interesse einige außerordentlich verdienstvolle Professoren kennen gelernt, zum Bei-
spiel Professor Milleken. Professor Michelson in Chicago habe ich leider verfehlt, aber das
allgemeine wissenschaftliche Leben Amerikas mit dem in Europa zu vergleichen, wäre Un-
sinn, wie man überhaupt das ganze übrige Leben von Europa mit dem von Amerika nicht
vergleichen kann. Es sind nun einmal zwei ganz verschiedene Welten.
Einen sehr tiefen Eindruck hat auf mich das wissenschaftliche Leben Englands gemacht.
Welcher Ernst, welche Kraft, welches Feuer! Es ist viel intensiver als in Deutschland, und
auch angenehmer.“ Oxford mit seinen großen Traditionen hat Prof. Einstein sehr gefallen;
„aber ich fand auch Princeton (die große amerikanische Universität) schön. Eine noch nicht
gerauchte Pfeife. Jung und frisch. Von Amerikas Jugend ist noch viel zu erwarten. Denn
wenn auch das intellektuelle Leben noch durchaus keine Rolle spielt, unter den Jüngeren
ist doch eine Gruppe, die danach strebt, das geistige Niveau zu heben (Professor Einstein
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