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353 JUNE 1917
469
353. From Erwin Freundlich
Neubabelsberg
Kgl.
Sternwarte 17. Juni
17
Lieber Einstein
ich will Ihnen
im
folgenden
meine wissenschaftlichen Pläne noch einmal kurz
skizzieren.[1]
Die zwei
wichtigsten experimentellen Aufgaben,
die ich im
Zusammenhang
mit
Ihrer
Gravitationstheorie
bearbeiten
möchte,
sind:
1)
der
Nachweis der
Krümmung
der Lichtstrahlen in einem Gravitationsfelde
2)
der
Nachweis der relativen
Verschiebung
der
Spektrallinien
in verschieden
starken Gravitationsfeldern.
Was die
Durchführung
beider
Aufgaben anbelangt, so
erfordert dieselbe im
we-
sentlichen
keine
Spezialinstrumente
vielmehr
nur
grosse
modern
ausgestattete
astronomische Fernrohre,
wie
sich
solche
auf
der
Kgl.
Sternwarte
Berlin-Babels-
berg
befinden.
Nur die
Messapparate zur Bearbeitung
des
gewonnenen
Beobach-
tungsmaterials
und die
Beobachtungsmethoden
habe ich im
Einzelnen
zu
verfei-
nern gesucht.
Die Arbeiten werden sich also
zu
Anfang
auf
die Theorie
der
neuen
Messmethoden und die
Leistungsfähigkeit
der
Beobachtungsmethoden
erstrecken.
1)
Die erste
Aufgabe,
also die
Untersuchung
der
Krümmung
der
Lichtstrahlen
in
Gravitationsfeldern,
kann in
der
Weise unternommen
werden,
dass
man
während
einer
totalen Sonnenfinsternis den
Himmelshintergrund
neben der Sonne
photogra-
phiert
und die Sterndistanzen
auf
solchen Platten mit
entsprechenden
Aufnahmen
vergleicht,
die
einige
Monate
vor
& nach der Sonnenfinsternis
von
der
gleichen
Himmelsgegend
gewonnen
wurden.
Bei
der
im Jahre 1914
von
Dr.
Zurhellen und
mir
unternommen und durch den
Kriegsausbruch
resultatlos verlaufenen
Expedition[2]
hatten
wir,
um
Material
von
genügender
Genauigkeit
zu
erlangen,
eine
Reihe für
die
Astrophotographie
nicht
unwichtiger
Neuerungen
erdacht,
deren
genaues
Studium eine
wichtige
Vorarbeit
zur
kommenden,
ausserordentlich
günstigen
Sonnenfinsternis
im Jahre 1919 wäre.
Um
jedoch von
den seltenen Momenten einer totalen Sonnenfinsternis
beim
Stu-
dium
dieser
Fragen
unabhängig
zu
werden,
habe ich noch
folgende
zwei
Wege
ins
Auge gefasst:
a)
die Aufnahme
von
Sternen neben der Sonne
am
Tage.
Meine
Ansätze
in die-
ser Richtung
konnten nie
praktisch
in
Angriff
genommen
werden,
da
mir weder
Mittel noch Instrumente
zur Verfügung gestellt
wurden.[3] Dass
dieser
Weg
nicht
aussichtslos
ist,
beweist
der
Umstand,
dass
von
Herrn
Lindemann in
England
kürz-
lich solche Aufnahmen mit
Erfolg
schon versucht worden
sind.[4]
b) photographische
Aufnahmen
von Sternbedeckungen
durch
Jupiter
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