DOCUMENT
395 OCTOBER
1917
543
Bewusstseins besteht
und nicht
bloss in Worten
oder
anschaulichen
Vorstellungen.
Auch
wenn man
sich keine anschauliche
Vorstellung macht, so
ist einem
beim
Hö-
ren
des Wortes Dreieck anders
zu
Mute als
einem,
der
nicht Deutsch
kann,
und
an-
ders als
wenn man
Viereck
hört
und
so
bei
jedem
anderen Worte. Auch mit solchen
Worten wie:
aber, dennoch,
zwar u.s.w.
ist eine
ganz
bestimmte
Färbung
unseres
Bewusstseins
verbunden,
sonst wären diese Worte
für
uns
nichts anderes als chine-
sische Vokabeln. Und
so
haben wir beim Hören eines
gesprochenen
Satzes
in
je-
dem Momente
einen
ganz
eigentümlichen
Zustand,
der
durch das bis dahin Gehör-
te
bestimmt
wird und
zwar
nicht
etwa durch die
Wortmelodie,
sondern durch den
Sinn des Gehörten. Sowohl
in der
Musik als auch in der
Sprache
kommen
zu
allem
diesem
noch
eigentümliche Färbungen
der
Antizipationen,
denn wir erwarten ja
auch eine
ganz
bestimmte
Fortsetzung
im sinnvollen musikalischen und
sprachli-
chen
Zusammenhang.
Ausser
diesen verschiedenen unendlich
abgestuften
Be-
wusstseinsfärbungen,
der
Nachwirkung,
des Sinns bei den
Worten,
der
Antizipati-
on, gibt
es
noch andere
derartige,
die
uns
aber hier
nichts
angehen.
So z.B.
wenn
wir
uns
vergeblich
bemühen,
uns
etwas
Vergessenes
in Bewusstsein
zu rufen,
so
ist
uns
doch anders
zu
Mute, je
nachdem
was
das
Vergessene
ist
u.s.w.
Mit
allen diesen
psychologischen
Feinheiten hat sich zuerst der
grosse
amerika-
nische
Psychologe
James
eingehend
beschäftigt
und
sie in seinem
Werke
in
leben-
digster
und klarster Form
dargestellt.[12]
Die
verschiedenen
Färbungen
der
Nach-
wirkung
nennt
er
fringes
(Fransen),
sein deutscher
Anhänger
Cornelius nennt sie
Relationsfärbungen.[13]
Jede
Psychologie,
die diese
Dinge
nicht
berücksichtigt
und
dies sind leider die
meisten,
macht
für
den,
der
sie
kennt,
und wohl auch
für
jeden
Unbefangenen,
der sie
nicht
kennt,
einen
grob
hölzernen
Eindruck. Wenn
es
ein
Zeichen
eines Genies
ist,
Dinge
zuerst
zu
beschreiben,
die
jeder
beobachten
kann
und
doch
keiner
beachtet
hat,
dann verdient James diese
Bezeichnung
im
höchsten
Masse.
Er
war
der
erste,
dem
es gelang,
die
unmittelbar
gegebenen
Tatsachen
des
Bewusstseins in ihrer
Lebendigkeit
zu erfassen,
statt sie in ein Herbarium
zu
pres-
sen,
bei dem alle Feinheiten verloren
gehen.
So ist
aus
meiner
Erwiderung
auf
Ihre
Bemerkung,
dass der
momentane
Zustand einem
Machschen
Element ähnlich und
inhaltsarm
ist,
eine kleine
deskriptive Psychologie geworden.
Es wäre
mir
auch
eine
besondere
Befriedigung,
wenn es
mir
gelungen
sein
sollte,
Ihnen
zu
zeigen,
wie reizvoll diese
gewöhnlich
so
langweilige
Disziplin
eigentlich
ist. Ich
hoffe,
es
ist mir
gelungen,
Sie davon
zu überzeugen,
dass der
gegenwärtige
Bewusstseins-
zustand unermesslich
reich,
ein
Mikrokosmos,
sein
muss,
da
ja
alle
Mannigfaltig-
keit,
die
wir
erleben, irgendwie
im
momentanen
Zustand
sich ausdrücken
muss.
Ich
hoffe,
dass
es
mir
gelungen
ist,
die Sache mit den
mannigfaltigen
Nachwirkun-
gen
und
der musikalischen
Auffassung
durch die
Projektion
in den
momentanen
Zustand,
klar
darzustellen,
wobei ich besonders
auf
die
Zeichnung
verweise.
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