DOCUMENT 547 MAY 1918 773
in dem der Versuch
unternommen wird,
den
jüdischen
Schülern eine der
westeuro-
päischen vollständig gleichwertige Bildung
auf
bewusst
jüdischer
Grundlage zu
geben.
Das
Gymnasium
besteht
aus
einer Knaben- und
Mädchenabteilung,
die
letztere ist noch
in
der
Entwickelung begriffen,
während die
Knabenabteilung
in
diesem Herbst
zum
ersten
Mal Abiturienten entlässt.
Der
Unterricht
erfolgt von
erstklassigen, durchweg
akademisch
gebildeten
Lehrkräften in
polnischer
Sprache
und in bewusst
jüdischem
Geiste.
Der
Lehrplan,
der
auf
ganz
modernen
pädagogi-
schen Grundsätzen
beruht,
stellt eine
ausgezeichnete Verbindung
der Anforderun-
gen
dar,
die
an
eine Schule
gestellt
werden
müssen,
die
ihre Schüler in
gleichem
Masse
zu
vollwertigen
Bürgern
des Landes wie
zu
ihres
jüdischen
Volkstums stark
bewussten Persönlichkeiten erziehen
soll.[2]
Dem
Gymnasium
ist ein Lehrbuchver-
lag
angegliedert,
in
dem
bereits eine Anzahl der für den
Unterricht
in
der Schule
benötigten
Bücher erschienen
sind. Die Schule erfreut sich eines
weit
über
die
Grenzen
Polens
hinausgehenden guten
Rufes
und
erhält sich
vollständig aus eige-
nen
Mitteln.
Im
weiteren
Verfolg
seiner zielbewussten kulturellen Pläne hat
Herr
Dr.
Braude
jetzt
die
Gründung
eines
jüdischen
Lehrerseminars
in Lodz in die
Wege geleitet,
das seine Schüler
zu
Lehrern heranbilden
soll,
die
geeignet
sind,
an
Volksschulen
und Mittelschulen in
dem
Geiste leitend und unterrichtend
zu
wirken,
der bei dem
Gymnasium
in Lodz bereits
so ausgezeichnete
Früchte
getragen
hat. Das
polnische
Unterrichtsministerium hat
die Erlaubnis
zur
Eröffnung
dieses Seminars
erteilt,
und somit wird im Herbst dieses Jahres in Lodz das
erste
jüdische
Lehrerseminar
eröffnet werden. Wer die furchtbare
Lehrernot und
das daraus resultierende
unge-
heure kulturelle Elend der
polnischen
Juden
kennt,
weiss die eminente
Bedeutung
zu würdigen,
die dieser
Gründung
zukommt.
Für
dieses Seminar weitere Kreise
deutscher
Juden
zu
interessieren,
die
an
der
kulturellen
Hebung
der
polnischen
Ju-
den Anteil
nehmen,
ist der Zweck des Besuchs des Herrn
Rabbiner
Dr.
Braude.
Wir rechnen
damit,
dass auch
Sie,
sehr
geehrter
Herr,
dieser unter
jüdischen
und
polnischen
ebenso wie
unter
deutschen
Gesichtspunkten gleich
bedeutsamen
Frage
Ihr oft bewährtes Interesse
entgegenbringen
und
gestatten uns demgemäss,
Sie
zu
einer
Besprechung
mit Herrn Dr.
Braude
auf
Dienstag,
den
28.
Mai,
abends
8 Uhr
pünktlich
in den
Sitzungssaal unseres
Büros,
Sächsische
Str.
8, zu
bitten.
Wir
wären
Ihnen
sehr
dankbar, wenn
Sie die
Einladung
an
Ihnen nahestehende Kreise
weitergeben
würden,
bei denen Sie hoffen
können,
Verständnis
für
diese bedeutsame kulturelle
Frage zu
finden.
Mit
vorzüglicher Hochachtung
Zionistische
Vereinigung
für Deutschland
Hantke O
Warburg[3]
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