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ihr nicht genug geben konnte. Vielleicht lassen Sie mir dies alles durch Albert mit-
teilen, für den es eine Art Übung ist. Ich bemühe mich nun, in Freiburg eine Woh-
nung für meine Familie zu finden, weil Freiburg gesünder ist als Durlach und schö-
ner gelegen, und weil Mileva wohl nicht gerne einen wenn auch weitläufigen
Verwandten von mir zur Stütze
hätte.[6]
Es wird nicht so leicht sein.
Meine arme Mutter ist Sonntag mit der Schwester, Frl Dr. Tobler, und meiner
Schwester hier
angekommen.[7]
Sie liegt nun in meinem Studierzimmer und leidet
körperlich und seelisch schrecklich. Sie hängt mit allen Fasern am Leben. Es
scheint, dass ihre Qualen noch lange dauern werden; denn sie sieht noch gut aus,
während sie geistig unter dem Morphium schon sehr gelitten hat. Es war aber gut,
dass wir sie hierher gebracht haben; denn die Angehörigen bringen ihr doch Trost
und Zerstreuung.
Nach Basel komme ich nun vorläufig nicht, weil wegen politisch[er] Schwierig-
keiten die Beratung der Universitäts-Angelegenheit auf unbestimmte Zeit hat ver-
schoben werden
müssen.[8]
So bös die Reise gegenwärtig ist, es thut mir doch leid,
dass unser Wiedersehen nun wieder auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben ist.
Fragen Sie bitte Albert, ob das Bach-Notenheft für Tete eingetroffen
ist.[9]
Ich
habe es schon am 9. Dezember besorgt und noch nichts davon gehört. Stupfen Sie
ihn auch, dass er mir wieder einmal schreibt. Ich freue mich immer so, wenn ich
seine Kritzel sehe.
Vor einigen Tagen sah ich
Debye.[10]
Man bemüht sich hier krampfhaft, ihn fest-
zuhalten, in Zürich ebenso, ihn zu gewinnen. Da steht er nun wie Heines berühmter
Esel[11]
—ich kenne diesen verfluchten Zustand, der sehr mit Unrecht von andern
oft als beneidenswert angesehen wird. Mit mir hat man seit dem Bekanntwerden
der Lichtkrümmu[ng] einen Kultus getrieben, dass ich mir vorkomme wie ein
Götzenbild.[12]
Aber auch dies wird mit Gottes Hilfe vorübergehen wie alle die ge-
genwärtigen Sorgen und Schwierigkeiten. Ich halte in diesem Vierteljahr Vorträge
über Mechanik an der Volks-Hochschu[le] für
Proletarier.[13]
Ich höre von Kolle-
gen, dass sich bei diesen Leuten ein riesiges Interesse zeigt.
Nun seien Sie mir samt meinem Albert herzlich gegrüsst von Ihrem
Einstein
Freundliche Grüsse an Ihre Frau.
Lieber Zangger!
Eben schreibt mir
Ehrenfest,[14]
dass
Epstein,[15]
der jetzt Privatdozent der theo-
retischen Physik an der Universität Zürich ist, in misslichen Geldverhältnissen ist.
Man denke in Holland daran, ihm dort eine bezahlte Stelle zu verschaffen. Epstein
hat den Starkeffekt
erklärt[16]
und auch sonst Beweise starker Begabung gegeben.
In Zürich weiss man nicht, was er bedeutet. Sorgen Sie doch dafür, dass er eine an-
ständige Bezahlung erhält nebst einer Professur. Einen Mann von ähnlicher wis-
sen[s]chaftlicher Bedeutung soll man nicht fortlassen.
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