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Zur Entlastung meines Gewissens muss ich zuerst noch einmal sagen, dass ich
die Leistungen I. Franks auch gegenüber denen von Edgar Meier für überlegen an-
sehe. Weil ersterer aber
ausscheidet,[3]
will ich nur noch über Edgar Meyer schrei-
ben, mit dem ich übrigens persönlich befreundet
bin.[4]
Aus dem letzteren Grunde
bitte ich Sie, die Meinungsäusserung so discret zu behandeln als es die Umstände
gestatten. Ich sehe Edgar Meyers grösstes wissenschaftliches Verdienst darin, dass
er die Bedeutung der statistischen Untersuchungen für die Erforschung der Ele-
mentar-Vorgänge der Strahlung frühzeit[ig] erkannt und brauchbare experimentel-
le Methoden auf diesem Gebiete entwickel[t] hat. Freilich glaube ich, dass seine
bisherigen Arbeiten über Statistik der Ionisierung durch Röntgen- und γ-Strahlen
das durch Secundär-Vorgänge so erschwerte Problem noch nicht endgültig gelöst
haben.[5]
Ich bin aber überzeugt, dass er der Mann dazu ist, der Umsicht und Aus-
dauer genug hat, diese wichti[gen] Fragen zu klären. In den letzten Jahren wurde
seine Arbeitskraft fast vollständig durch die Pflichten in Anspruch genommen, die
ihm die Uebernahme des gänzlich verwahrlosten Züricher Universitäts Institutes
auferlegten.[6]
Er hat in diesen Jahren das dortige Institut durch hingebende Arbeit,
durch die Klarheit seines Vortrags, durch Heranziehung begabter junger Menschen,
die er in selbstloser Weise anregt und förderte, auf eine ungeahnte Höhe der Ent-
wicklung gebracht. Welche Verdienste er sich um das wissenschaftliche Leben
Zürichs erworben hat, kann man sich kaum vorstellen. Organisatorisches Talent,
technische Begabung, Wohlwollen, gepaart mit Menschenkenntnis und fester Cha-
rakter müssen vereint sein, um solche Erfolge zu ermöglichen; ich kann mir einen
besseren Institutsleiter kaum denken. Unter diesen Umständen ist es zu begreifen,
dass er die Verfolgung der grossen wissenschaftlichen Ziele, die seine ganze Kraft
in Anspruch genommen hätten, notwendigerweise einige Jahre verschieben
musste.
Mit Rücksicht auf alle in Betracht kommenden Umstände bin ich überzeugt,
dass es schwer wäre, einen würdigeren Nachfolger als Edgar Meyer für die Tübin-
ger Professur zu finden.
Mit freundlichem Gruss Ihr
TLC. [19 021]. Addressee’s name is typed above salutation: “Herrn Prof. Dr. F. Paschen Tübingen.”
[1]Paschen had requested Einstein’s opinion of Edgar Meyer as Paschen’s successor at the Univer-
sity of Tübingen (see Doc. 268).
[2]Einstein wrote his first set of recommendations to Paschen before 19 January (see Doc. 268).
[3]James Franck was adjudged too young for consideration (see Doc. 268).
[4]See, e.g., Docs. 13 and 139 for the close ties between Meyer and Einstein.
[5]For more on Meyer’s work on fluctuations in the ionization caused by gamma rays, see Einstein
to Edgar Meyer, after 12 October 1918 (Vol. 8, Doc. 633); for a historical discussion, see Wheaton
1983, pp. 160–163.
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