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24. To Paul Ehrenfest
[Berlin,] 20 I
1921[1]
Lieber Ehrenfest!
Nun bin ich wieder von meiner „Gastreise“
zurück[2]
und liege im Nest mit ei-
nem famosen Darmkatharrh; so hab ich umso besser Zeit zum Plaudern. In Wien
habe ich von Ehrenhaft einen viel besseren Begriff erhalten, als ich ihn vorher
hatte.[3]
Ich habe bei ihm gewohnt und ihn sehr genau kennen gelernt. Seine grösste
Sünde ist—sein Mangel an Geschmack. Aber er ist gut gegen die Menschen, die
auf ihn angewiesen sind und ehrlich in seinen Kämpfen, was von seinen Fakultäts-
gegnern nicht gesagt werden
kann.[4]
Seine Frau ist eine aussergewöhnlich gehalt-
volle, lebenskluge und thätige Person, ein Juwel für
ihn.[5]
Bei Deinem Bruder war
ich einen Abend; er hat mir ebenfalls sehr
gefallen.[6]
Ich habe gemerkt, wie gern
er Dich hat, und wie warmen Anteil er an Deinem und der Deinen Leben nimmt . ,
Schade, dass Ihr nicht mehr voneinander haben könnt. In Prag war es besonders
nett. Frank hat eine sehr nette Russin (Jüdin)
geheiratet,[7]
mit der er eine aller-
liebste Junggesellen Wirtschaft führt. Sie studiert, hat eine Bude, er wohnt im
Institut[8]
mittelst eines zusammenklappbaren Bettes, das sich tagsüber verbirgt
wie eine Fledermaus. Ich habe auch im Institut gehaust. Mit dem Kraus hatte ich
einen öffentlichen Diskussionsabend, eine überaus drollige Zirkusvorstellung; ihm
wars aber ernst
damit.[9]
Dann hatte ich in Dresden noch einen Vortrag, von den
Studenten
eingeladen;[10]
dabei gaben mir die lieben Jungens eine Probe von ächt
deutschvölkischem Takt, die ich Dir aber doch lieber mündlich überbringen möch-
te.— Dass ichs nicht vergesse: sende sofort eine angemessene Summe in meinem
Namen an die Zeemann-Spende; hoffentlich ist es noch
Zeit.[11]
Ich hatte eine glückliche Idee zur Entscheidung der Frage, ob das undulatorische
elektrische Feld in der Strahlung wirklich vorhanden ist. In starker Strahlung ist das
Feld nach Maxw. Theorie von der Grössenordung 100 Volt/cm. Solche Felder ge-
ben schon eine wahrnehmbare Linienverbreiterung durch Zeemann Stark-
effekt.[12]
Ich will mit Pringsheim zusammen die Experimente
machen.[13]
Ich bin
auf das Ergebnis sehr neugierig; was soll man eigentlich erwarten?
Der Brief von der parfumierten Dame scheint verloren zu sein; ich fürchte also,
dass er unbeantwortet bleiben muss. Es ist ja doch unmöglich, alle Briefe zu beant-
worten.
Die Sache mit dem Hall-Effekt ist ganz einfach. Die Hall-Kraft wird kompen-
siert durch induzierte elektrische Felder, die auf Grund zeitlicher Aenderung des
Magnetfeldes entstehen. Diese zeitliche Aenderung besteht im einfachsten Falle
darin, dass eine magnetfeld-freie Stelle entsteht, die an Ausdehnung stetig zu-
nimmt. Aus der Raschheit dieses Vorganges wäre der Halleffekt zu ermitteln.