D O C U M E N T 4 4 F E B R U A R Y 1 9 2 1 7 5
allzu grossen Fehler macht, wenn man für Deutschland augenblicklich Kohle als
die einzige Energiequelle ansieht.
Letztere Prämisse mag falsch sein. Ich habe mich bemüht, sie in dem beiliegen-
den Aufsatz zu beweisen. Mehr oder weniger richtig ist sie auf jeden Fall. Wenn
man sie aber der Einfachheit halber als richtig annimmt, so ergibt sich weiter mei-
nes Erachtens als zwingende Notwendigkeit, dass die menschliche Arbeit von der
Kohle abhängt und nicht
umgekehrt.[4]
Wenn ich den Arm hebe, so ist dies bloss
dadurch möglich, dass irgendwo und wann vorher ein Quantum Kohle verbrannt
wurde, welches mehr Energie entwickelte als durch mein Armheben jetzt gebun-
den wird. Ich wiederhole nochmals, dass diese Behauptung nur augenblicklich
richtig ist. Entwicklungsgeschichtlich müsste natürlich aus Insolation stammende
Menschenkraft vorhanden sein, bevor Kohle gefördert und gebraucht werden konn-
te, nur augenblicklich kann man die Insolation vernachlässigen, weil die Bewohner
Deutschlands in das so sehr viel grössere Energiegebiet der Kohle hineingewach-
sen sind und es jetzt ebenso ausfüllen wie ein Gas den zur Verfügung stehenden
Raum.
Wenn Sie auch meine zweite, nur für Deutschland geltende Prämisse gelten las-
sen, so ist wohl zeitlich, jedoch nicht aktuell die Menschenkraft als das Primäre an-
zusetzen, augenblicklich dagegen wird das Quantum der leistbaren Arbeit in
Deutschland vom Quantum der Kohle diktiert. Demnach erscheint mir Ihre An-
sicht, dass, wenn es gelingt, aus 1 kg Kohle einen höheren Nutzeffekt herauszuwirt-
schaften, damit nur so viel Menschenkräfte erspart werden können, als sich im
Förderungswerk
erübrigen,[5]
nicht haltbar. Dies würde vielmehr nur stimmen,
wenn der Nutzeffekt allein der Kohlenförderung verbessert wird. Eine Verbesse-
rung des Nutzeffektes der Kohle setzt sich aber durch alle Arbeitsvorgänge bis in
das äusserste Fertigprodukt fort und erspart daher viel mehr Menschenkräfte. Wenn
in Deutschland 60 Millionen Menschenwohnen, von denen 600 000 produktiv
Kohle fördern, so würde eine Verbesserung der Fördertechnik um 10% 60 000 Ar-
beiter sparen und Deutschland hätte dabei über den bisherigen Energievorrat zu
verfügen. Steigt jedoch der Nutzeffekt der Kohle um 10%, so hat Deutschland 10%
mehr Energie zur Verfügung, es könnte also, falls die Lebensgewohnheiten die
gleichen bleiben, 6 Millionen mehr Menschen aufnehmen, oder, um eine Ver-
gleichszahl zu obigen 60 000 Kohlenarbeitern zu finden, könnten etwa 2 Millionen
werktätige Menschen Rentner werden, wenn die Einwohnerzahl und die Lebens-
gewohnheiten im übrigen die gleichen bleiben. Ein gewaltiger Unterschied, aus
dem auch wieder die Universalität der Kohle ersichtlich ist.
Dies bringt mich auf einen weiteren Einwand, den Sie gegen meine Ausführun-
gen erhoben haben, nämlich den, dass es nicht notwendigerweise das Glück der
Previous Page Next Page