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Amerika und in London gehaltenen Vorträge zuzuschicken, damit ich sie ins Fran-
zösische, noch vor meiner Fahrt nach Amerika, zu übersetzen. Ich gedenke nämlich
gegen Ende Juli hinzugehen. Da ich bis jetzt nichts von Ihnen bekommen habe, so
muss ich annehmen daß Ihnen entweder der Brief nicht überreicht wurde, oder daß
Sie wegen allzugroßer Inanspruchnahme die Zeit nicht hatten um mir zu antworten.
Ich gestatte mir daher nochmals Sie inständigst zu bitten, mir die Vorträge ein-
zusenden, damit ich die Uebersetzung in Angriff nehmen könne. Ihre übersetzten
Bücher finden hier starken Absatz. Es wird bald nötig sein eine neue Auflage Ihres
Vortrages Aether und Relativitätstheorie zu
veranstalten.[1]
Die hiesigen Geister in-
teressieren sich mehr und mehr für Ihre neuen Gedanken. Sie fühlen sich nun etwas
heimischer im neuen Gebäude und ich hoffe daß sie bald nicht mehr aus demselben
hinaus werden wollen.
Der gemeine Fabre hat sich nun bequemen müssen was er zuerst als ein Vorwort
von Ihnen ausgab, in der neuen Auflage seines
Buches[2]
wegzulassen. Er druckte
aber an dessen Stelle eine Art Einleitung, in der er sich in der gemeinsten Weise
über Sie äussert. Er meint Sie hätten Ihre eigenen Gedanke verlaügnet u. behauptet
ferner, daß wenn man Ihnen als Physiker Bewunderung zollen müsse, man ein ver-
schiedenes Urteil über Sie als Menschen fällen müsse. Was sagen Sie zu diesem
Schuft? Wir haben nun beschlossen, ich und einige Freunde, ihn tüchtig herunter-
zuhauen in einer hiesigen Zeitschrift. Wir hätten zu diesem Zwecke nötig das Pro-
test in Händen zu haben, das Sie in der naturwissenschaftlichen Wochenschrift
veröffentlich
haben[3]
und noch ganz genaue Auskünfte über den wahren Sachver-
halt. Hat er nur Ihre Briefe als Vorwort abgedruckt, ohne daß Sie ihm die Erlaubnis
dazu gegeben hätten, oder hat er noch obendrein diese Briefe gefälscht? Da keine
Gegenstimme sich gegen seine gemeinen Behauptungen hier erhoben hat, so könn-
te das hiesige Publikum meinen daß er Recht habe. Deshalb möchten wir ihn öf-
fentlich zurechtweisen.
Lieber Einstein, bei Ihrer Reise in Amerika, wo Sie so große und berechtigte
Triumphe feierten, haben Sie gewiss mit vielen einflussreichen Persönlichkeiten
Bekanntschaft gemacht. Ich habe eine unsägliche Mühe um mir die Summe zu
beschaffen die für meine Amerikareise nötig ist. Wenn ich auch dazu, nach unsäg-
licher Anstrengung komme, so werde 2 oder 3 Jahre arbeiten müssen um das Geld
zu bezahlen, das ich überall leihe. Da ich, wie Sie wissen, gut in der Philosophie
sowie auch in der griechischen Sprache und Literatur bewandert bin, wäre es Ihnen
nicht möglich mich einem jüdischen Kreise in Amerika zu empfehlen, damit ich
dort Vorträge über diese Gegenstände halten solle. Das Honorar, das man mir dafür
zahlen würde, würde mir mein Unternehmen erleichtern. Ich danke Ihnen im
voraus aus tiefstem Herzen.
In Erwartung Ihrer baldigen lieben Antwort grüße ich Sie in herzlichster Freund-
schaft Ihr
M. Solovine.