D O C U M E N T S 3 0 7 , 3 0 8 N O V E M B E R 1 9 2 1 3 6 1
307. To Noémi Stricker
Berlin, den 29. XI. 21
Sehr geehrte Frau Doktor Stricker!
Fast täglich tritt mir die Not wertvoller geistiger Arbeiter in beängstigenden For-
men vor Augen, und bei den heutigen trostlosen wirtschaftlichen Verhältnissen ist
nur in wenigen Fällen zu helfen. Für die Unterzeichnung Ihres Aufrufes fehlt mir
der
Optimismus.[1]
Unternehmungen, wie das von Ihnen geplante, können nach
meiner Meinung nur dann etwas ausrichten, wenn sie sich auf einen verhältnismäs-
sig engen Kreis beziehen. Jeder grössere europäische Staat hat hunderttausende
notleidende geistige Arbeiter. Auf diesem weiten Feld sehe ich keine Möglichkeit
einer sachlichen Auswahl. Nach meiner Ansicht können nur die grossen Vereini-
gungen geistiger Arbeiter wirklich etwas ausrichten, für sie wäre internationaler
Zusammenschluss ein würdiges Ziel, dem allerdings die nationale Engherzigkeit
entgegensteht, die leider gerade unter den geistigen Arbeitern heute vorherrscht.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
TLC. [45 090]. The letter is addressed ”Frau Dr. Noémi Stricker Berlin.” A draft in Ilse Einstein’s
hand [45 089] is also available. A note in Ilse Einstein’s hand appears above the draft, which reads
“30 M. 10 M. gegeben.”
[1]Stricker had appealed to Einstein two weeks earlier (see Doc. 300).
308. From Max Born
Göttingen, d. 29.11.21.
Lieber Einstein,
Die Gewährsmänner sind sich nicht darüber einig, ob Du noch in Italiens war-
men Gefilden weilst oder schon in Berlin
bist.[1]
Doch nimmt man wohl mit Recht
an, daß in ersterem Falle Deine Rückkehr bald zu erwarten ist. Darum schreibe ich
und hoffe, daß Du den Brief bald erhältst.
Ich habe zuerst auf’s herzlichste zu danken für die großartige Spende einer Rönt-
genapparatur. Franck, Pohl und ich sind sehr froh darüber, denn das gehört doch
heute zu einem ordentlichen Institut, und es kommen sehr oft Fragen vor, die nur
mit Röntgenstrahlen beantwortet werden
können.[2]
Pohl sollte Dir einen offiziel-
len Dankbrief schreiben, aber ich muß noch ein paar persönliche, herzliche Worte
des Dankes hinzufügen. Es bedeutet doch diese große Stiftung, daß Ihr in Berlin
das Vertrauen habt, wir würden etwas ordentliches mit dem Apparat herauskriegen;
und das freut uns. Die Beschaffung hat hauptsächlich Pohl in Händen, und da sind
sehr viele Schwierigkeiten, Raummangel, Unzuverlässigkeit der Firmen etc.
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