53. “Proposal for the Nomination of a Corresponding Member in Physics” [Niels Bohr] [Berlin, before 16 February 1922] [1] Antrag auf Ernennung eines korrespondierenden Mitgliedes aus dem Gebiete der Physik Wenn dereinst eine spätere Generation die Geschichte der physikalischen Fort- schritte unserer Zeit darstellen wird, wird sie mit dem Namen von Niels Bohr einen der bedeutsamsten Fortschritte zu verbinden haben, den unsere Erkenntnis vom Wesen der Atome je gemacht hat. Es war bereits bekannt, dass die klassische Me- chanik den Bausteinen der Materie gegenüber versage, sowie dass die Atome aus positiv geladenen Kernen bestehen, die von einer relativ losen Atomschicht umge- ben sind. Aber die empirisch weitgehend bekannte Struktur der Spektra unter- schied sich so wesentlich von dem, was nach unseren alten Theorien erwartet werden konnte, dass niemand der Mut besass eine Möglichkeit für eine zwingen- de für eine überzeugende theoretische Deutung der beobachteten Gesetzmässig- keiten sah. Da fand Bohr im Jahre 1913 eine quantentheoretische Deutung der einfachsten Spektra,[2] für welche er in kurzer Zeit eine solche Fülle quantitativer Bestätigungen beibrachte, daß die kühn gewählte hypothetische Basis seiner Be- trachtungen bald zu einer Grundlage eine gesicherte Stütze für die Physik der Atome wurde. Trotzdem noch nicht ein Jahrzehnt seit Bohrs erster Entdeckung ver- gangen ist, beherrscht heute schon das von ihm ersonnene und in seinen Hauptzü- gen grossenteils von ihm ausgebaute Gedankensystem die Atomphysik und die Chemie in solchem Masse, dass alle früheren Deutungsversuche dem Fachmann aus einer längst entschwundenen Zeit zu stammen scheinen. Die Theorie der Rönt- genspektra, der sichtbaren Spektra, des periodischen Systems der Elemente ruhen in erster Linie auf Bohrs Gedanken. Was an Bohr als Forscher so wunderbar anmu- tet, das ist eine seltsame Vereinigung von Kühnheit und vorsichtigem Abwägen selten hat ein Forscher derart mächtige Intuition Gestaltungskraft in solchem Masse wie er die Fähigkeit intuitiven Erfassens verborgener Dinge mit scharfer Kritik vereinigt besessen. Bei aller Kenntnis des Einzelnen ist sein Blick unver- rückbar auf das Prinzipielle gerichtet. Er wird eine Zierde unserer Akademie sein, vor allem ist zweifellos einer der grössten wissenschaftlichen Schöpfer Erfinder unserer Zeit auf dem Gebiete der Wissenschaft. [p. 1]