4 7 0 D O C U M E N T 3 2 4 A U G U S T 1 9 2 2 zuerst, dass W. nicht wohl in Frage kommen könne, weil die Universität Kiel ihm kein experimentalpsychologisches Institut zu bieten vermag, aber Koehler hat mich dann über diesen Punkt beruhigt und mich überzeugt, dass Wertheimer der rechte Mann sei, gerade auch eine rein philosophische Lehrkanzel zu bekleiden und auf ein Experimental-Institut nicht unbedingt angewiesen sei. Ich bin dann mit Wärme für ihn eingetreten, und es ist gelungen, ihn auf die Liste der Kommission zu brin- gen. Die Vollfakultät hat ihn aber wieder gestrichen (über die mutmasslichen Grün- de schweige ich), überhaupt die Vorschläge der Kommission umgestossen, und schliesslich blieb auf der dem Ministerium einzureichenden Liste nur ein einziger Name übrig: der des Giessener Ordinarius E. v. Aster.[5] Ich halte diese Wahl für ganz glücklich, denn Aster ist sehr tüchtig und arbeitsam, aber seine Nennung uni- co loco halte ich nicht für gerechtfertigt, und so habe ich dem Schreiben der Fakul- tät an den Minister ein Separatvotum beigelegt, in dem ich vor allem auf Wertheimer aufmerksam mache. Ich hoffe von Herzen, dass es ihm irgendwie hel- fen wird. Nächst Wertheimer habe ich mich auch sehr für H. Reichenbach einge- setzt, aber bei der Fakultät wenig Verständnis dafür gefunden, obgleich mein Fachkollege Scholz mir dabei zur Seite stand.[6] Die Fakultät scheint weniger nach einem Philosophen als nach einem abgestempelten Philosophieprofessor zu trach- ten. In diesem Falle habe ich wenigstens wegen der Aussichtslosigkeit des Unter- nehmens von einem Separatvotum abgesehen. Alle diese Mitteilungen sind natürlich ganz vertraulich. Es wird mir doch recht schwer, nach Wien zu gehen, nicht nur, weil die Zukunft in Oesterreich so dunkel aussieht, sondern auch, weil ich mich zuletzt unter den Kollegen und Studenten hier überaus wohl gefühlt habe. Aber das Wiener Klima ist besser und die Aufgaben für einen philosophischen Lehrer sind größer. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen eine glückliche Reise nach Japan, hoffe Sie recht bald in Wien wiederzusehen und bleibe mit den besten Wünschen für Ihr und der Ihrigen Wohlergehen in Verehrung und Dankbarkeit Ihr M. Schlick. Adresse: Rostock, Orléans-Str. 23 ALS. [21 587]. [1]Schlick 1922. [2]Einstein had spent a few days in Kiel in early July (see Doc. 257). [3]See Docs. 266 and 271. [4]In Doc. 172. Wolfgang Köhler, Max Wertheimer. [5]Ernst von Aster (1880–1948). [6]Heinrich Scholz (1884–1956) was Professor of Philosophy at the University of Kiel.
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