D O C . 3 7 9 T R A V E L D I A R Y N O V E M B E R 1 9 2 2 5 4 1 auch eine grosse Zuneigung zu irdischen Genüssen offenbarten.[37] Bei der Heim- fahrt sahen wir ein aus Barken bestehendes Chinesisches Fischerdorf, eine sehr fröhlich anmutende chinesische Beerdigung und—geplagte Menschen, Männer und Weiber, die für 5 Cent täglich Steine klopfen und Steine tragen müssen. So werden die Chinesen für ihre Fruchtbarkeit von der fühllosen Wirtschaftsmaschine hart gestraft. Ich glaube, sie merken es kaum in ihrer Stumpfheit, aber traurig zu sehen ist es. Sie sollen übrigens vor einiger Zeit mit merkwürdig guter Organisati- on einen erfolg Lohnstreik erfolgreich durchgeführt haben.[38] Nachmittags be- suchten wir das jüdische Klubhaus, das in einem üppigen Garten in einiger Höhe gelegen ist und einen prächtigen Ausblick auf Stadt und Hafen hat. Es seien nur 120 Juden dort, meist arabische, deren Religiosität noch mehr zur Form erstarrt zu sein scheint, als dies bei unseren russisch-europäischen der Fall ist.[39] Im Klub- haus gesellten sich die zwei Frauen zu uns, die Frau eines unserer Gastgeber und deren Schwester. Ich bin nun überzeugt, dass die jüdische Rasse sich ziemlich rein erhalten hat in den letzten 1500 Jahren, da die Juden aus den Euphrat-Tigris-Län- dern den unsrigen sehr ähnlich sind. Das Gefühl der Zusammen-Gehörigkeit ist auch recht lebhaft. Wir fuhren noch alle zusammen auf den Gipfel des Berges, an dessen Fuss die Stadt liegt (mit Drahtseilbahn Chinesen und Europäer getrennt). Oben grandiose Aussicht auf Hafen, Inselgebirge und Meer. Der Anblick mit den vielen kleinen Inselchen, die steil aus dem Meere aufragen, erinnert an das Nebel- meer in den Voralpen. Abends kam plötzlich Sturm, der mir auf der Strasse meinen Hut entriss, sodass ich mit allen Kräften nachlaufen musste, um ihn wieder zu kriegen. Heute Morgen besuchte ich mit Elsa das Chinesenviertel auf der Festland-seite. Fleissiges, dreckiges, stumpfes Volk. Häuser sehr schablonenhaft, bienenzellenar- tige gegliedert Veranden, alles zusammengebaut und eintönig. Hinter dem Hafen lauter Essläden, vor denen Chinesen auf Bänken bei der Mahlzeit nicht sitzen son- dern hocken wie Europäer, wenn sie im grünen Walde ihre Notdurft verrichten. Es geht still und gesittet bei allem zu. Schon die Kinder sind temperamentlos und sehen stumpf aus. Es wäre doch schade, wenn diese Chinesen alle andern Rassen verdrängten. Für unsereinen ist schon der Gedanke daran unsäglich langweilig. Ge- stern Abend besuchten mich noch drei Portugiesische Mittelschullehrer, die von den Chinesen behaupteten, dass Chinesen nicht zum logischen Denken erzogen werden könnten, insbesondere gar keine Begabung für Mathematik hätten. Mir fiel der geringe Unterschied zwischen Männern und Weibern auf ich begreife nicht, was für eine Art Reiz der Chinesinnen die zugehörigen Männer so fatal begeistert, dass sie sich gegen den formidabeln Kindersegen so schlecht zu wehren vermögen. Um 11 Uhr fuhr die Kitano Maru ab, durch das glänzende grüne Meer zwischen grünen Inselbergen, die entzückend waren durch Form und Farbe, aber kahl, d. h. [p. 12v] [p. 13] [p. 13v]