D O C . 3 7 9 T R A V E L D I A R Y N O V E M B E R 1 9 2 2 5 4 3 de mit Grinsen. Bei Europäerbesuch wie wir drolliges gegenseitiges Anglotzen— Else besonders eindrucksvoll mit aggressiv anmutender Lorgnette. Dan Fahrt zu Pfisters geräumigem Landhaus mit schon gerühmtem rettendem Hafen.[47] Gemütlicher The. Dann kam eine Deputation von etwa 8 jüdischen Ho- noratioren mit ko würdigem Rabbi und recht schwieriger Verständigung.[48] Dann Fahrt mit Inagakis’ durch dunkle Gassen zu reichem chinesischem Maler zu chinesischem Abendmahl. Haus aussen dunkel mit kalter hoher Mauer. Innen fest- lich beleuchtete Hallen um einen mit malerischem Teich und Garten ausgestatteten romantischen Hof. Die Hallen mit prächtigen ächt chinesischen Bildern des Haus- herrn geschmückt und mit liebevoll gesammelten alten Kunstgegenständen. Vor dem Essen ganze Tischgesellschaft bestehend aus dem Hausherrn, uns, Inagakis Pfisters, einem deutsch sprechenden chinesischem, dem Hausherrn verwandtes Ehepaar mit zutraulichem, deutsch und chinesisch allerliebst deklamierendem etwa 10-jährigem hübschem Töchterchen, dem Rektor der Schanghaier Universität und ein paar Lehrern dieser Anstalt.[49] Endloses, ungeheuer raffiniertes Fressen, einem Europäer unvorstellbare, geradezu lasterhafte Schlemmerei mit schmalzi- gen, von Inagaki hin und her übersetzten Reden, hievon eine von mir.[50] Der Haus- herr hatte ungemein feines Gesicht, Haldane ähnlich.[51] An der Wand hing ein wundervolles, lapidares Selbstbildnis von ihm. Die Mutter des deklamierenden Töchterchens spielte die Hausfrau und führte recht drollig und geschickt auf Deutsch die Unterhaltung. Um 9½ Uhr Abfahrt mit Inagakis in den japanischen Klub, wo wir von etwa hundert meist jungen Japanern in angenehm formloser, schlichter und heiterer Weise willkommen geheissen wurden.[52] Zwanglose Be- grüssung und Beantwortung derselben, übersetzt von Inagaki. Dann Rückkehr auf das Schiff. Dort noch Besuch von interessantem und sympatischem englischem In- genieur. Endlich Bett. Heute nach Frühstück Autofahrt nach interessantem mehrhöfigem, gegenwärtig als Kaserne benutztem buddistischem Tempel mit prächtigem Chinesischen Turm. Nebenan höchst amusantes Dörfchen, ganz chinesisch mit ganz engem Gässchen und nach vorne offenen Häuschen, überall kleinem Laden oder Werkstätte darin. Gegenseitiges Anglotzen noch possierlicher als in der Stadt. Kinder Schwanken zwischen Neugierde und Furcht. Fast durchweg fröhlicher Eindruck nebst Dreck und Gestank ich werde oft und gerne dran denken. Den Tempel besahen wir uns genau Die benachbarten Menschen scheinen gegen seine Schönheit stumpf zu sein. Architektur und innere Ausstattung (überlebensgrosse Budda’s und andere Fi- guren) wirken merkwürdig zusammen zu grossem künstlerischem Gesamtein- druck. Hohheit des buddistischen Gedankens umrankt von barockartig anmutenden Gestalten abstrusen Aberglaubens (halb symbolisch). [p. 15] [p. 15v] [p. 16]