D O C . 3 7 9 T R A V E L D I A R Y N O V E M B E R 1 9 2 2 5 4 5 gegeben. Publikum sitzt am Boden in lauter kleinen Logen mit Kind und Kegel & beteiligt sich lebhaft. Zugänge zur Bühne durch Parterre, welche Durchgänge ebenfalls zur Bühne gehören. Rollen stark stilisiert. Chor aus 3 Männern singen un- ausgesetzt ähnlich Priestern auf der Messe. Orcheste in einer Art Käfig hinter der Scene. Malerische Scenerie. Musik gibt Rytmus und Gefühlston, Vogelgezwit- scher vergleichbar, ohne symphonische Logik und Geschlossenheit. Schauspieler pathetisch und auf malerische Effekte bedacht. Dann mit Inagaki und Ehepaar Ya- momoto Bummel durch Budenstrasse mit allerlei hübschem Tand für Kinder und Erwachsene. Helle Beleuchtung überall, aber wenig Volk wegen verhältnismässig grosser Kälte. Grosse Geschäfts- und Verkehrsstrasse um 10 Uhr so gut wie leer. Wir gingen in reizendes kleines Restaurant und plauderten. Dann heim, mit Obst und Zigarren, von dem rührenden Y. geschenkt. 21. Chrysantemen-Fest im kaiserlichen Schlossgarten.[65] Grosse Schwierigkeit in der Beschaffung eines passenden Gehrocks nebst Cylinder. Ersteren von unbe- kannter Seite durch Herrn Bärwald, der ihn eigens brachte,[66] letzteren durch Herrn Yamamoto viel zu klein, sodass ich ihn den ganzen NachMittag in der Hand tragen musste. Wir waren mit den ausländischen Diplomaten, die im Halbkreis an- geordnet waren. Abgeholt und begleitet von deutscher Botschaft. Jap Kaiserin schritt den Halbkreis von innen ab, und sprach einige Worte mit Männern und Wei- bern der Botschaften, mit mir einige freundliche Worte französisch[67] Dann Erfri- schungen im Garten an Tischen, wobei ich unendlich vielen Leuten vorgestellt wurde. Garten wundervoll, künstliche Hügel, Wasser, malerisches Herbstlaub. Chrysantemen in Buden wohlgeordnet wie Soldaten. Am schönsten sind die hän- genden Chrysanthemen. Abends gemütlicher Abend bei Berliners in reizendem ja- panischem Hause. Er intelligenter Nationalökonom, sie graziöse, intelligente Frau, ächte Berlinerin. Das Faulenzen ist unter solchen Bedingungen ermüdender als Arbeit, aber Inagakis helfen uns mit rührender Sorgfalt. 22. Um 10½ Uhr von Gakis und Y nach Kaizo abgeholt zu Redaktions- häuschen.[68] Angestellte erwarteten uns festlich vor der Thür. Kameradschaftli- cher Ton unverkennbar. Y. strahlte mit seinen Kinderaugen unter grosser Hornbrille. Alle zusammen vor Redaktion im Gässchen photographiert.[69] Neu- gieriges Volk mit viel Kindern schaute zu. Dann fuhren wir zu prachtvollem Budd. Tempel.[70] Blick in Esssaal der Priester. Wundervolle Gebäude mit herrlichen Schnitzereien. Priester sehr freundlich, schenkte uns prächtiges Buch mit Abbil- dungen von Kunstwerken. In den Höfen übliche Photographiererei zum Teil mit lustigen Schulmädchen aus Osaka zusammen, die ebenfalls gerade den Tempel be- suchten. Dann Mittagessen im reizenden Hause Yamomoto. Ein prächtiger Mensch. Er beherbergt in seinem Häuschen neben Frau und Kinderchen,[71] drei [p. 17v] [p. 18] [p. 18v]
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