D O C U M E N T 6 3 J U N E 1 9 2 3 107 63. From Heinrich Zangger [Kanton Thurgau, after 9 June 1923][1] Lieber Freund Einstein Ihr Brief[2] befreit mich in mancher Hinsicht Selten antwortete ich Ihnen erfreu- ter. Einmal hatte ich wie etwas schlechtes Gewissen, dass ich die Ihrigen weniger sah u beriet als damals, als sie näher wohnten[3] u dann merkte ich nichts Bestimm- tes im Gespräch mit Albert, der alles zurückhält, bedrückt u stolz zugleich ist.[4] Uber Materialkunde selbständig u sehr umsichtig urteilte u mir über Tete[5] objec- tiv warm mir referierte, warm u sorgend. Tete war immer sehr fein reserviert stolz, der „kleine Einstein“ mit massenhaft Plänen u einer Leichtigkeit der Schule, die wir uns ältere Generation nicht vorstellen können. So traf mich die Mitteilung von Dr Zürcher wie ein Blitz[6] u so schrieb ich damals gleich im Schwurgericht Pfäffikon mit dem unangenehmen Pflichtbewusstsein, das mich auch gerade als Experte erfüllte u hörte dann nachher, dass der Kleine auf meinen Rat 14 Tage vor- her bereits am Meer u bevor ich Ihnen Mitteilung machen konnte.[7] Ernährt muss der Kleine gut werden u viele Ruhe haben: „Man muss nehmen, was das Schicksal bringt“ sagen Sie u dabei können Sie zufrieden sein.[8] Übrigens die beiden Albert haben eben Albertköpfe: Das starke Gefühl für Schweres u für Prinzipielles ist ja bei Albert eine Garantie u da ist er Schweizer + Einstein. Albert. Dass er starke Grundeinstellungen hat begrüssten Sie früher ich war auch so ein harter Kerl— Solange die Strenge sich selbst gegenüber Stand u hält kein Vorwand ist für etwas Unredliches oder Bequemes, so lange man sich gegen- über härter ist als den Eigenen, quellt gerade in diesen um alles Verletztsein herum ein so erhebendes Gefühl der Anerkennung auf, dass selbst das Leiden daraus einen starken Widerschein u auch Hoffen bekommt. Sicher ist, dass beide leiden, u dass Albert zu mir kein Wort von Ihnen hätte sagen können (was er sonst immer tat) weil es ihn gewürgt hat, weil er den Druck nicht mehr hätte verdecken können u weil mich das nichts angieng—weil er meine Natur kennt, dass ich da zu helfen gesucht hätte u er das Stolz nicht wollte oder in seiner Härte unterdrückte—aber Albert Ein- stein ist er eben gerade dieser Härte wegen u deshalb ist er vielen Menschen wert u absolut verlässlich von Gleichgültig oder Grob keine Rede u dass er sich noch weniger helfen kann, wenn er leidet u er weiss, dass Sie durch ihn leiden, wissen Sie sehr genau—aber das glaube ich ist richtig: Er soll jetzt allein sein u arbeiten etwas anderes gibt es nicht u der Besuch der Kleinen wird beiden helfen wieder den natürlichen Weg zu finden. Der Kleine hat eine sehr saubere verstehende Sensibi- lität, die beiden Albert gut tut. Die keine Härten vertragen u sich wieder
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