128 DOC. 75 NOBEL LECTURE 4 Physik entnimmt sie die Voraussetzung von der Gültigkeit der euklidischen Geometrie für die Lagerungsgesetze starrer Körper, das Inertialsystem und den Trägheitssatz. Den Satz von der Gleichwertigkeit der Inertialsysteme für die Formulierung der Naturgesetze nimmt sie für die ganze Physik als gültig an (spezielles Relativitätsprinzip). Der Maxwell-Lorentz’schen Elek- trodynamik entnimmt sie den Satz von der Konstanz der Vakuum-Licht- geschwindigkeit (Lichtprinzip). Um das spezielle Relativitätsprinzip mit dem Lichtprinzip in Einklang setzen zu können, muss die Voraussetzung von der Existenz einer abso- luten (für alle Inertialsysteme übereinstimmenden) Zeit aufgegeben werden. Es wird also die Hypothese aufgegeben, dass gleich beschaffene, beliebig bewegte und passend gerichtete Uhren derart gehen, dass die Angaben je zweier von ihnen, welche einander begegnen, in ihren Angaben übereinstim- men. Jedem Inertialsystem wird eine besondere Zeit zuerteilt Bewegungs- zustand des Inertialsystems und dessen Zeit werden im Sinne der Inhalts- forderung dadurch definiert, dass inbezug auf dasselbe das Lichtprinzip gelten soll. Die Existenz des so definierten Inertialsystems sowie die Gül- tigkeit des Trägheitssatzes inbezug auf dasselbe werden vorausgesetzt. Die Zeit wird für jedes Inertialsystem durch relativ zu demselben ruhende, gleich beschaffene Uhren gemessen. Durch diese Definitionen und die in der Voraussetzung ihrer Wider- spruchslosigkeit steckenden Hypothesen sind die Transformationsgesetze für Raum-Koordinaten und Zeit für den Übergang von einen Inertialsystem zu einem anderen eindeutig festgelegt, die sogenannten Lorentz-Transformationen. Ihr unmittelbarer physikalischer Inhalt liegt in dem Einfluss der Bewegung gegen das benutzte Inertialsystem auf die Gestalt starrer Körper (Lorentz- Kontralction) und auf den Gang der Uhren. Nach dem speziellen Rela- tivitätsprinzip müssen die Naturgesetze bezüglich Lorentz-Transformationen kovariant sein die Theorie liefert also ein Kriterium für allgemeine Natur- gesetze. Sie führt im Besonderen zu einer Modifikation des Newton’schen Punkt-Bewegungs-Gesetzes, in welchem die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit als Grenzgeschwindigkeit figuriert, sowie zur der Erkenntnis der Wesens- gleichheit von Energie und träger Masse. Die spezielle Relativitätstheorie brachte erhebliche Fortschritte. Sie versöhnte Mechanik und Elektrodynamik. Sie verringerte die Zahl der voneinander logisch unabhängigen Hypothesen der letzteren. Sie zwang zu einer erkenntnistheoretischen Klärung der Grundbegriffe. Sie vereinigte Impuls--und Energiesatz, erwies die Wesenseinheit von Masse und Energie.
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