1 8 2 D O C U M E N T 1 1 5 S E P T E M B E R 1 9 2 3 Professur abhängt, mich eingeladen hat, im nächsten Universitätsjahr wissen- schaftliche Vorträge zu halten, d. h. meine Vorlesungen fort zu setzen.[3] Ich hatte mich schon mit dem „Ruhestande“ versöhnt, darf mich aber so freundlichem Dran- ge nicht widersetzen. Und so bleiben wir doch in gewissem Sinne Kollegen. Jetzt muss ich Ihnen sagen, wie grosse Freude Ihr Brief mir gemacht hat [4] er war wohl der erste. Ich hatte alle die langen Jahre hindurch so viel Glück wie ein Mensch nur wünschen kann. Das rührte zum Teil daher, dass damals, als wir noch so in kindlicher Unschuld (ohne von Quanten zu wissen) lebten, die Physik so schön war. Auch daher aber, und zwar in hohem Grade, dass so viele Fachgenossen mir ihre Freundschaft geschenkt hatten. Dass Sie von dem ersten Tage an, da Sie uns in Leiden besuchten, in diesen Kreis hineingetreten sind, gehört zu dem Be- sten, das ich erlebt habe. Und ich schätze es sehr, dass Sie am 18ten Juli in herzli- cher und freundlicher Gesinnung an mich gedacht haben. Ich erinnere mich noch lebhaft, wie Sie mir vor mehr als 13 Jahren in meinem Zimmer in Leiden auseinandersetzten, meine Uhr würde etwas rascher gehen, wenn sie sich nahe der Decke befände.[5] Das war der Anfang mancher Belehrung und so hat die Umwälzung in unserer Wissenschaft, die wir Ihnen verdanken, viel dazu beigetragen, mich jung zu erhalten. Sehr wertvoll war es mir dabei, dass wir auch in anderen als wissenschaftlichen Fragen im Grunde fast immer derselben Meinung sind, wie wir auch die Drangsal dieser Zeiten in derselben Weise fühlen. Kurz nach meinem Feste reisten meine Frau[6] und ich nach Genf, wo die Sit- zungen der Commission de coopération intellectuelle etwas mehr als eine Woche in Anspruch genommen haben wir haben wenigstens unverdrossen gearbeitet, täg- lich zwei lange Sitzungen.[7] Frau Curie war leider nicht da [8] sie brauchte Ruhe um sich zu erholen, und auch Hale konnte nicht kommen.[9] Als seinen Stellvertre- ter fand ich aber Professor Périgord, den ich in Pasadena gut kennen gelernt hatte.[10] Übrigens eine bunte Reihe. Ich hatte den Eindruck, dass Sie wenn Sie in der Kommission geblieben wären, sehr gut mit ihren Mitgliedern hätten zusam- menwirken können. Es besteht wirklich in diesen Kreisen ein Streben nach univer- seller Verstä[ndi]gung, obgleich das sich jetzt noch nicht so geltend machen kann wie man wünschen könnte. Von unseren Verhandlungen erzähle ich später wir hof- fen wohl etwas zu erreichen, aber auch hier ist Geduld nötig. Kurz nach meiner Heimkehr kam der Brief, in dem Sie mir mitteilen, dass Sie es für besser halten, im nächsten Frühling nicht nach Brüssel zu gehen.[11] Ich ver- stehe Ihre Gründe und muss mich Ihrem Wunsche fügen, obgleich ich es sehr be- dauern werde, Sie zu vermissen. Ich werde dafür sorgen, dass Sie keine offizielle
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