2 5 8 D O C U M E N T 1 6 1 N O V E M B E R 1 9 2 3 161. To Betty Neumann [Leyden,] 27. XI. 1923. Liebe Betty! Dein Briefchen hat mich sehr gefreut, wie immer und noch ein bischen mehr. Ich wär schon lange zurückgekommen, wenn das drum und dran nicht so kompliziert wäre. Bei mir werden nämlich die simpelsten Sachen kompliziert, dadurch, dass so viele Menschen in guter Absicht sich hinein mischen. Mein Freund Ehrenfest[1] hatte alle Mühe, die stets hungrigen Hyänen der Presse von mir abzuhalten. Mit Deiner Schicksals-Betrachtung hast Du ganz recht. Man muss sich so mühsam hin- durchwinden zwischen der Empfindlichkeits-Sphäre der Menschen und sucht, dass die eigene nicht gar zu schmerzlich gezaust wird. So geht das Leben hin in flüch- tigen Halbheiten. Unterdessen arbeitete ich unbändig an einer Theorie[2] —ein bischen Flucht aus dem Leben ist immer dabei. Die Geometrie, mit der Du Dich befassest, ist auch nicht so einfach, wie Du vielleicht meinst, wenn sichs auch nur um die Verbindung zweier Punkte handelt.[3] Über den Thee bei meiner Frau hab ich unterdessen schon Berichte erhalten (von ihr). Sie lobt dich—das muss man ihr lassen. Was die Russin anlangt, habe ich sie ein einziges Mal flüchtig nach einem Konzert gesehen. Sie hat einen aparten, aber nicht schlechten Geschmack bewiesen, indem sie sich dem alten Itelson an- schloss.[4] Dieser sorgt aber auch nett für sie ich will Dir mündlich davon erzählen. Bei Euch gehts scheints sehr lebhaft her, aber der uneingestandene Zweck Dei- ner Reise ist an dem harten Kopf der kleinen B. N. gescheitert. Ich hoffe sehr, Dich in diesem drolligen Sinn Verwitwete noch in Berlin zu treffen. Du bist so gut und lässt mich wenigstens für ein paar Stündchen die Schwere des Daseins vergessen. Darauf freue ich mich, indem ich mir etwas von Deiner spitzbübischen Lebens- weisheit anzueignen suche. Herzliche Grüsse an Onkel und Tante Mühsam,[5] auf die ich mich wieder sehr freue, noch innigere aber an Dich von Deinem A. Einstein. ALS (IsJNLI/Schwadron Mss. Collection, Einstein Collection). [120 897]. The envelope is addressed “Frl. Betty Neumann bei Herrn Dr. Mühsam Maassenstr. 11 Berlin” and postmarked “Leiden 27.XI.23 3–4N[amiddag].” [1]Paul Ehrenfest. [2]Probably on the work that led to Einstein 1924d (Doc. 170), which was presented 13 December. [3]I.e., their relationship (see Einstein’s allusion in Doc. 151). [4]Gregorius Itelson (1852–1926) was an independent scholar living in Berlin and the translator of some of Einstein’s works into Russian (Freudenthal and Karachentsev 2011). [5]Hans Mühsam and Minna (Miriam) Mühsam-Adler (1883–1968), who was a co-founder of the Jewish children’s home “Ahawah” in Berlin.
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