3 7 2 D O C U M E N T 2 4 1 M A Y 1 9 2 4 241. To Betty Neumann [Kiel,] Samstag 3. V. [1924] Meine liebe Betty, Ich freu mich, Dich bei Muttern zu wissen nach so langem Bleiben im unheim- lichen Ausland (d. h. bei uns).[1] Meine Reise hat auch, wie verabredet, Donnerstag stattgefunden, und ich führe nun hier in Kiel ein Dasein, das so ideal ist, wie ein gemildertes Junggesellendasein überhaupt sein kann. So kann ich es mit dem ge- milderten Dasein eines Ehemannes bequem vergleichen, wie ich es in Berlin ¢füh- re² habe. Zuletzt war letzteres recht schwierig, trotz der schönsten Milderung. ¢Aber² Das ungemilderte Junggesellendasein—so schön es sonst ist—hat etwas von der Strenge, die zwar einem Mathematiker zusteht, so etwas heroisches, ent- behrt aber ganz, des Molligen, das doch gewiss auch zu den ganz wichtigen Ele- menten des Lebens gehört. Fürs Denken ist es sehr gut ich hab schon eine ganz drollige, einfache physikalische Theorie gefunden[2] und auch einige Brosamen für das grosse Problem.[3] Auch die Fabrik[4] bietet immer interessante Aufgaben. Hier verteidigt sich der Winter noch mit wechselndem Erfolge gegen den Frühling, aber bald wirds wohl besser werden. Hoffentlich kommen wir nicht oft so auseinander wie jetzt. Das Schreiben ist ein so dürrer Ersatz für das Zusammensein, und das schriftliche Schweigen hat nichts von dem Zauber des mündlichen. Für Onkel Hans[5] freue ich mich sehr, dass er einmal seine Kette los ist und dem unbändigen Wandertrieb folgen kann, den die Natur ihm eingepflanzt hat. Wo und wie er sich wohl herumtreiben mag ich ver- suche mirs oft vorzustellen. Und die Tante[6] in dem Hause, ¢sitzet² schweiget ganz allein beim Schmause, waltet weise und regiert, putzet alles, was verschmiert. Liebe Betty, notleidendste und Ausgesperrteste unter den Sekretärinnen, freu Dich Deines Lebens, vergiss nicht ans rechtzeitige Einrücken, schreib Deinem ein- samen Prinzipal und erhole Dich gut von allen Strapazen (und so). Amen. Sei [7] von Deinem Albert. ALS (IsJNLI/Schwadron Mss. Collection, Einstein Collection). [120 903]. The envelope is addressed “Frl. Betty Neumann Griesplatz 2. Graz (Oesterreich)” and postmarked “Neumühlen Dietrichsdorf (Holstein) 5.5.24 9–10N[achmittags].” [1]Flora Neumann-Mühsam (1868–1934) who resided in Graz. Betty had been residing in Berlin since at least June 1923 (see Doc. 73, note 7). [2]Possibly a reference to the theory tested in Doc. 303 see its note 1. [3]The explanation of quanta by field theory. [4]The gyrocompass factory of Hermann Anschütz-Kaempfe. [5]Hans Mühsam. [6]Minna Mühsam-Adler. [7]At this point in the original, Einstein indicates a footnote: “Diese Stelle ist sachgemäss vom Adressaten auszufüllen. Falsche Angabe wird nach §…geahndet.”
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