D O C U M E N T 3 9 4 D E C E M B E R 1 9 2 4 6 0 3 Sitzung der Voelkerbunds-Kommission fuer die Mandate, auf der man Herbert Samuel verhoerte, war ein interessantes Beispiel fuer die Wirksamkeit dieser Maulwurfsarbeit.[4] Der Bericht der Kommission, den Sie wahrscheinlich in den Zeitungen gesehen haben werden, spricht nicht offen gegen uns, er enthaelt aber kein Wort der Anerkennung und ist unter dem Schein der Unparteilichkeit so sehr mit allen uns feindlichen Argumenten durchsetzt, dass er unsere Sache in den Au- gen der Welt viel wirksamer heruntersetzt als wenn er sich offen gegen das Prinzip des Mandats ausspraeche.[5] Seit meiner Rueckkehr hierher fuehle ich bei allen Ge- legenheiten das Arbeiten derselben Kraefte. Ich fuerchte, wir stehen heute vor der schwierigsten Periode unserer Arbeit. Wir sind schon stark genug, dass man uns ernst nehmen zu muessen glaubt, aber wir sind noch zu schwach um uns wirksam wehren zu koennen. Unsere Gegner wissen, dass dies die entscheidende Periode ist und sie werden nichts unversucht lassen. Wir tun was wir koennen um aufklaerend zu wirken, wir veranlassen, wen immer wir koennen, nach Palaestina zu reisen, in dem sicheren Bewusstsein, dass unsere praktische Arbeit dort das beste Propagan- damittel fuer unsere Sache ist. Aber das Entscheidende ist doch, dass diese Arbeit selbst nun wirklich in die Dimensionen hineinwaechst, zu denen das bisher gelei- stete doch nur die erste Vorstufe ist und um deren willen allein sie geleistet wurde. Wenn es uns gelingt diese Ueberzeugung in die grosse Masse des juedischen Vol- kes hineinzutragen und wenn die Reaktion, die aus ihr erwaechst, der Groesse des Zieles entspricht, so brauchen wir, dessen bin ich fest ueberzeugt, trotz aller Ma- chinationen unserer Gegner fuer die Zukunft nicht besorgt zu sein. Wir werden mit noch viel groesserer Anspannung als bisher arbeiten muessen und ich hoffe, dass die Arbeit der naechsten Wintermonate uns ein grosses Stueck weiterbringen wird. Ich werde im Laufe der naechsten Wochen einige der grossen kontinentalen Zen- tren selbst besuchen und dann in der zweiten Haelfte des Winters nach Amerika reisen, um die im letzten Jahre begonnenen Verhandlungen zur Organisierung des amerikanischen Judentums fuer unsere Arbeit zum definitiven Abschluss zu bringen.[6] Ich werde Ihnen, wenn ich in Berlin bin, ueber all das hier angedeutete noch ausfuehrlicher erzaehlen. Die eigentliche Veranlassung meines heutigen Briefes ist eine Aktion, die wir fuer die Universitaet und das Technikum[7] auf dem Kontinent zu unternehmen im Begriffe sind und fuer die ich Ihr freundliches Interesse, dessen ich hierbei versi- chert bin, in ganz besonderem Masse in Anspruch nehmen moechte. Beide Institute werden nun im Laufe der naechsten Monate zu arbeiten beginnen. Die beiden che- mischen Abteilungen sind schon im Betriebe. Am Mikrobiologischen Institut ar- beitet ein begabter junger Assistent und, wenn es mir gelingt einen bedeutenden juedischen Mikrobiologen am Pasteur-Institut,[8] mit dem wir schon seit einiger Zeit verhandeln, zur Uebernahme des Direktorpostens zu gewinnen, was ich im
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