D O C U M E N T 4 1 0 J A N U A R Y 1 9 2 5 6 2 3 belschnur durchschnitten, die heute weniger die Musik, als die Musiker verbindet (und nährt, wie nicht verschwiegen sein soll), und die deutsche Musikwissenschaft, die sich heute ein „Mittel-Ding“ zwischen Musik und Wissenschaft dünkt, ist nur mehr Wissenschaft, was sie gewiss kaum war. Darum die hitzige Besorgtheit. Während ich aber nun im Ausland mindestens als der führende deutsche Musi- ker gelte, ist man unbegreiflicherweise in Deutschland gerne bereit auf die Vorherr- schaft in der Musik zu verzichten, wenn man nur damit verhindert, dass sie an meinen Namen anknüpft. Darin, in dem Hass gegen mich, sind Juden und die zu- ständigen Hakenkreuzler eines Sinnes. Ich nun habe keinen Anlass, diesem Hass, der von mir lebt, die Nahrung zu ent- ziehen wenn auch, allerdings, kein Interesse, ihm neue Nahrung zuzuführen. Den- noch kann es mir nicht einfallen, die Taktlosigkeit zu kontrasignieren, die meinen Rang innerhalb der jüdischen Musiker geringer ansetzt, als unter allen Musikern. Wer die Rangsverhältnisse nicht kennt, oder nicht anzuwenden in der Lage ist, hat den bequemen Ausweg des Alphabeths. Wird aber dieses nicht eingehalten, wer- den somit Ränge zuerkannt, so gebe ich mich nicht so leicht zufrieden und übe weitgehendste Kritik an der Autorität des Schätzmeisters. Zur Sache selbst habe ich zu sagen, dass es meines Wissens eine jüdische Musik—Kunstmusik—derzeit nicht giebt, wenn auch, wie ich glaube, alle abend- ländische Musik auf Juden weist und ihre Entwicklung, ja vielleicht ihre Grund- prinzipien dem jüdischen Wesen und Geist verdankt. Die Kunst der Niederländer einerseits erinnert in vielem an das was man von Talmud und Kabbala weiss und andrerseits haben wir in der zum Teil von Juden durchsetzten Zigeunermusik das Gegenstück zu dieser auf wissenschaftlichen und okkulten Erkenntnissen beruhen- den Hirn-Kunst. Davon abgesehen (denn es ist eine Hypothese für die Beweise nicht leicht zu erbringen sein dürften) giebt es nur deutsche, italienische, französi- sche etc Musik, die von Juden geschrieben ist und daher gewiss jüdische Züge be- sitzt. Wollte man aber diese als jüdische Musik reklamieren, so würde man damit einerseits den oben dargelegten Einfluss des jüdischen Geistes auf die abendländi- sche Musik verkleinern, andrerseits aber diesen von Juden geschaffenen Werken, die doch zusammengenommen keine jüdische Musik ergeben, jenen Wert im Kunstleben der Völker, innerhalb welcher sie als zu deren Nationalmusik gehörig angesehen werden, nehmen. Bizet wäre dann kein französischer Komponist mehr (und sein Einfluss auf die französische Musik?) aber doch auch noch kein jüdischer.[4] Darf ich Ihnen aber nun aufrichtig sagen, dass der Gegenstand dieses Briefes mir nicht wichtig genug schiene, einen Mann wie Sie damit zu behelligen, wenn ich ihn nicht als Vorwand nähme, meinen langgehegten Wunsch mir selbst zu erfüllen: ich
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