D O C U M E N T 4 1 5 J A N U A R Y 1 9 2 5 6 2 9 415. To Paul Ehrenfest [Berlin, ] Donnerstag. [8 January 1925][1] Lieber Ehrenfest! Tania ist gestern Abend weiter gereist.[2] Von der Grossmutter[3] herunter sind alle in sie verliebt, mich natürlich inbegriffen. So was von gut, ehrlich, klug und dabei die schlichte Grazie! Menschenkind, wie hast Du so was fertig gebracht? Ich hab meine Jungens[4] auch gern, aber damit können sie sich nicht vergleichen. Es thut ihr so gut, dass sie allein in die Welt guckt. Sie strahlt nur so und erweckt in anderen ein Echo davon. So lang es so was gibt, braucht man den Kopf nicht hängen zu lassen—besonders aber nicht, wenn man der eigene Vater ist. Himmel- donnerwetter was bist Du für ein labiler Kerl, darfst mit Fug und Recht jeden Droschkengaul um seine Seelenruhe mit Selbstverständlichkeit beneiden. Kein Mensch ist mit Dir unzufrieden als Du selbst. Es ist ein Sparren. Wenn nichts an Dir wäre als Dein einzigartiges kritisches und Lehr-Talent, könntest Du schon see- lenruhig Dein Bäuchlein in der Fakultät herausstrecken. Für diesmal genug davon. Schick Deine Grillen nachhause, reib Dir die + Brillengläser und sei neugeboren. Ich komme also zu dem Universitätsfest.[5] Ich hab wirklich einen Orden,[6] tra- ge ihn aber nie. Persönlich kann ich doch nicht auf Donatoren etc wirken, weil zu schäbig. Da ich aber im März nach Argentinien muss und hier in Berlin Vorlesung in diesem Semester halte, muss ich gleich wieder zurück von Leiden. Ich werde Dich dann völlig überzeugen von der Gas-Entartungs-Gleichung, ich hab noch ei- nen sicheren, aber allerdings nicht ganz vollständigen Zugang zu ihr gefunden, frei von der inkriminierten Statistik.[7] Aber wie die Mechanik aufstellen, die zu so was führt? Gegenwärtig plage ich mich ungefähr nach dem Rezept Tetrodes (Zeitschr. f. Physik 1922),[8] des Unsichtbaren.[9] Es ist etwas Geniales an diesem Mann. Ta- nia hab ich kein Geld mehr mitgegeben, weil sie mehr als genug hatte. Das ist gar nicht angenehm, wenn man zu viel bei sich hat. Schad, dass sie schon wieder fort- gehuscht ist. Gestern hat man im Kolloquium über Kapitza vorgetragen (mit viel Sympathie und Respekt, Geiger Referent).[10] Auch eine Arbeit von Hoffmann (Königsberg) über durchdringende Strahlung erweckte grosses Interesse.[11] Gei- ger und Bothes Arbeit über Statistik des Kompton-Effektes dürfte bald fertig werden.[12] Sie sind sehr vorsichtig und sagen noch nichts. Nur Gerüchte durch- schwirren die Luft. Sei mit der ganzen kleinen Gesellschaft herzlich gegrüsst Dein Einstein.
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